Es kommt eher darauf an, eine Spannung aufzubauen. Die zeitliche Struktur ist nur ein Faktor von mehreren. Man ist in einem Prozess, man spielt, hört sich dabei zu, reagiert auf das Gespielte und das noch zu Spielende. Ich denke mehr in Zeitzonen. Das Vergangene, als das Verklungene und soeben Verklingende ist eine Zone, das als nächstes Erklingende ist die dritte, und der aktive Raum dazwischen die zweite. Ich bewege mich also in der zweiten Zone und muss dabei die anderen beiden zusammenbringen. Die Zeit oder der Raum, den ein Klang braucht, und die Reaktion darauf erfolgt in Rücksicht auf das Kommende.
In letzterem schreibt Cramer:
Ein Musikstück, eine Oper wie Beethovens Fidelio, eine Symphonie ist in jedem Falle hoch rückgekoppelt, jeder Ton hängt zeitlich und räumlich mit allen anderen Tönen zusammen, direkt im gleichen Akkord und indirekt in der Tonfolge, am auffälligsten in der Fuge. Töne und Themen beziehen sich auf frühere Themen, variieren diese oder führen sie durch und zu Ende. Das führt zu Gebilden von unglaublicher Komplexität: Musik hat die Eigenschaft der “Fundamentalen Komplexität”. In solchen Systemen verliert die deterministische Eindeutigkeit ihren Sinn. Ein auslösendes Ereignis kann einmal eine ganze Kaskade von Ereignissen nach sich ziehen, ein andres Mal nichts bewirken. Ein Lebewesen ist paradigmatisch für fundamentale Komplexität. In diesem Sinne ist gute Musik “lebendig”.