Von Ralf Keuper
Die Pressfreiheit gilt in westlichen Demokratien zu Recht als eines der höchsten Güter. Im Idealfall sorgt die Presse als „vierte Macht“ dafür, dass Fehlentwicklungen, die mit der demokratischen Grundordnung im Konflikt stehen, aufgedeckt werden und eine öffentliche Diskussion darüber in Gang gesetzt wird. Weiterhin soll die Presse bzw. sollen die Medien die Meinungsvielfalt in der Bevölkerung widerspiegeln.
So weit die Theorie. In der Praxis sah das schon immer etwas anders aus. Zu ihren besten Zeiten verwendeten einige „Leitmedien“ Zeit und Geld für intensive Recherchen, die nicht selten Dinge ans Licht förderten, die schon mal Regierungen in akute Erklärungsnot brachten oder sogar zum Rücktritt zwangen, wie im legendären Watergate-Skandal. Seit einigen Jahren schon, so muss man festhalten, werden die „Skandale“ kaum noch von den Medien, sondern von einzelnen Personen oder Organisationen aufgedeckt. Genannt sei nur Edward Snowden.
Woran liegt das? Ist das Geschäft inzwischen so rasant und wechselhaft, dass die herkömmlichen Mittel nicht mehr ausreichen? Ist der wirtschaftliche Druck, u.a. in Folge der Digitalisierung, so stark, dass investigativer Journalismus nicht mehr finanziert werden kann?
Jedenfalls wird immer offensichtlicher, dass es mit der Pressefreiheit so weit nicht mehr her ist, wie wohl nicht nur Georg Rammer in Die Mär von der Pressefreiheit feststellt. Nein, auch in den Medien existiert, wie in anderen Wirtschaftsunternehmen auch, das Verhältnis von Herrschern und Beherrschten, wie der Kommunikationswissenschaftler Thomas Wiedemann in einem Interview betont.
Die Unabhängigkeit zwischen Anzeigenabteilung und der eigentlichen Redaktion ist inzwischen so stark gefährdet, dass die großen DAX-Konzerne selbst die Notbremse ziehen und sich einen Kodex geben müssen. Dass auch Zeitungen von dieser Entwicklung betroffen zu sein scheinen, die man bisher nicht damit in Zusammenhang gebracht hat, kam in der zurückliegenden Woche zum Vorschein, als Sebastian Heiser sich veranlasst sah, über seine Erfahrungen zu berichten. Weitere Kritik an der eigenen Zunft kommt von Norbert Häring in Auch ein Statement zur Nicht-Leistung der Medien.
In der Summe sind das ernst zunehmende Krisensymptome.
Folgt daraus nun, dass es um die Demokratie schlecht bestellt ist?
Kaum. In Wirtschaft und Gesellschaft vollzieht sich momentan ein Strukturwandel, der in den Medien m.E. besonders deutlich hervortritt. Es wird immer offensichtlicher, dass die Medien in ihrer bisherigen Struktur, d.h. mit ihren Geschäfts- und Erlösmodellen, ihrer Aufgabe – in ihrer überwältigenden Mehrheit – schlicht nicht mehr nachkommen können. Die Lücke, die sie hinterlassen, wird derzeit von anderen Publikationsformen, wie Blogs und Online-Magazinen, notdürftig geschlossen. Auf Dauer können Blogs und andere alternative Medienformate diesen Mangel m.E. nicht ausgleichen. Dafür fehlt es an den nötigen Mitteln, der Reichweite usw. Das wiederum heisst nicht, dass Blogs überflüssig werden. Sie können aber nur eine begrenzte Funktion übernehmen.
Was wir stattdessen brauchen werden, sind mehr Medienjournalismus und sog. Macromedien, die ohne Altlasten struktureller Art und mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet, ganz gleich ob auf privater oder staatlicher Basis, die Aufgabe als vierte Gewalt ausüben können.
Das aber wird noch einige Zeit dauern. Bis dahin wird sich der Strukturwandel, der Stilwandel in der Medienlandschaft unaufhaltsam fortsetzen.