Schreibt man auf Papier, dann ist man gezwungen, seiner Kreativität Grenzen zu setzen. Und zwar nicht nur, weil die Zeilen ihrer Struktur nach einem Schlusspunkt entgegenlaufen, sondern auch, weil die materielle Unterlage (das Papier) Grenzen auflegt. Selbst die sogenannten „livres-fleuve“ müssen irgendwann irgendwo, irgendwie enden. Man kann sich diese Grenzen allerdings sehr weit setzen. Dann aber läuft man zweierlei Gefahr: Einerseits, dass die Kreativität in Leerlauf verfällt, dass einem beim Schreiben die schöpferische Puste ausgeht, und andererseits, dass man bei immer längeren Diskursen immer weniger Empfänger anspricht. Daher die oft mit Erfolg angewandte Strategie der bewussten Selbstbeschränkung: Man ballt seine Kreativität, um sie auf ein Minimum von Papier mit einem Minimum an Schriftzeichen aufzutragen. Die Strategie mag gut sein, Kreativität jedoch wird dabei beschnitten. 

Schreibt man dagegen ins elektromagnetische Feld, dann wird der kreative Text zwar auch Zeilen bilden, aber diese Zeilen werden nicht mehr eindeutig verlaufen. Sie sind „weich“, plastisch, manipulierbar geworden. .. Ein derart geschriebener Text wird „dialogisch“ sein, und zwar zuerst einmal im Sinn eines Zwiegesprächs, das aus dem Innern des Schreibenden ins Feld hinausprojiziert wird. Der Text ist nicht mehr, wie auf dem Papier, das Resultat eines kreativen Prozesses, sondern er ist selbst dieser Prozess, er ist selbst ein Prozessieren von Informationen zu neuen Informationen. …

Zweifellos hingegen ist, dass das Schreiben durch Computer die Einstellung des Schreibenden und des Empfängers zum Text radikal verändert. Das schöpferische Engagement wird anders erlebt als vorher. Es ist eine neue Art von Selbstkritik und von Verantwortlichkeit dem anderen gegenüber hinzugekommen, und der Text hat eine neu Form von Eigenleben gewonnen. Kurz, man beginnt, wenn man auf diese Art schreibt, beim Schreiben dialogisch zu denken, zu schaffen, zu leben. Auch und vor allem in jenem Sinn, den Martin Buber gemeint hat.

Quelle: Hinweg vom Papier, in: Medienkultur 

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