Von Ralf Keuper

Das Werk von Max Weber bietet auch noch fast 100 Jahre nach dem Tod des Soziologen Raum für neue Entdeckungen bzw. Interpretationen. Nicht nur hat Weber die Kapitalismusforschung wie kaum ein anderer nach Karl Marx befruchtet, nein auch für die Medienwissenschaften hat er Grundlegendes geleistet, wie aus dem Beitrag Max Weber als Mediensoziologe hervorgeht.

Darin unterzieht Stephan Russ-Mohl das Buch Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt. Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte von Siegfried Weischenberg einer kritschen Betrachtung. Ohne Zweifel sei Weischenberg ein Meisterwerk gelungen, das jedoch einige Mängel enthalte.

Bereits 1910 regte Max Weber das Grossprojekt einer Enquete für das Zeitungswesen an, das aber scheiterte. Seitdem fristet die Medienforschung in der Soziologie nur ein Nischendasein. Selbst die Großtheorien von Habermas und Luhmann ändern für den Rezensenten daran nichts Wesentliches. Allenfalls den Arbeiten von Elisabeth Noelle-Neumann attestiert Russ-Mohl auf dem Gebiet der Medienforschung wegweisend gewirkt zu haben. Das erscheint mit Blick auf die publizistische Tätigkeit Noelle-Neumann während des Dritten Reiches doch etwas gewagt bzw. gewöhnungsbedürftig. Ähnlich verhält es sich mit Emil Dovifat, dem Doktorvater Noelle-Neumanns und einer der Begründer der Publizistikwissenschaft in Deutschland.

Neben Noelle-Neumann erkennt Russ-Mohl vor allem in Hans-Mathias Kepplinger einen legitimen Nachfolger Webers.

Jedenfalls scheint sich die Beschäftigung mit dem Werk Max Webers noch immer zu lohnen. Vielleicht liegt das auch daran, dass Weber, anders als Luhmann und Habermas, nicht bestrebt war, ein System zu entwickeln. Wegen ihres fragmentarischen Charakters sind die Schriften Webers im besten Sinne “anschlussfähig” – auch in einer Medienwelt, die so ganz anders ist als die, die Weber gekannt hat.

Im Wörterbuch der Soziologie von Karl-Heinz Hillmann heisst es über die Mediensoziologie u.a.

Ein zentrales Thema der Mediensoziologie ist die öffentliche Meinung, die als Ergebnis ungleicher Artikulationsbereitschaften in unterschiedlich aktiven Teil-Öffentlichkeiten der Gesellschaft erscheint. Ihre Wahrnehmung ist eng mit der Verbreitungsmedien verbunden, die selbst wiederum zu einem Strukturwandel der Öffentlichkeit beigetragen haben. Die Verschmelzung von aktiven Öffentlichkeiten und Medienöffentlichkeiten zählt hierzu, aber auch eine permanente Ausweitung der Bereiche, denen Öffentlichkeit zuteil wird (“Alles Öffentliche wird privat, alles Private öffentlich”). Die über Medienangebote verbreiteten Meinungen (Publizität) sind dabei in stärkerem Maße für die Initiierung von Anschlusskommunikation (z.B. über Meinungsführer) relevant als der Austausch von Meinungen innerhalb von Bezugsgruppen. Dieser Sachverhalt veranlasst gleichzeitig zu der Annahme, dass die Medienberichterstattung eine gesellschaftliche Integrationsfunktion erfüllt.

Insofern sind die Medien von Natur aus ein Hauptgegenstand der Soziologie bzw. sollten es sein – gerade heute im Internetzeitalter. Ob die Internetsoziologie das leisten kann? Inspirierend ist jedenfalls der Blog von Stephan Humer

Weitere Informationen:

Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt. Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte

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