Von Ralf Keuper
Es gibt Meldungen, bei denen überrascht eigentlich nur der Zeitpunkt und nicht die Tatsache ihres Erscheinens. Um so einen Fall handelt es sich bei LinkedIn überholt Xing in Deutschland.
Wer, wie ich, schon einige Jahre Mitglied bei XING ist und daneben noch ein Profil auf LinkedIn unterhält, konnte den Überholvorgang mit Ansage live miterleben. 
Die Vorboten waren jedoch bereits vor Jahren zu erkennen. Die eigentlichen Wendepunkte markierten für mich und auch für andere, die Übernahme von XING durch Burda und der Relaunch vor einigen Jahren, als XING einige Funktionen von Facebook adaptierte. Die Gruppen, die bis dahin eines der wenigen “Alleinstellungsmerkmale” von XING waren, haben sich von dem neuen Design bis heute nicht erholt. Fairerweise muss man einräumen, dass die Aktivitäten in den Gruppen zu dem Zeitpunkt ihren Zenith schon überschritten hatten. Statt ihnen jedoch den letzten Stoss zu versetzen, hätte man m.E. versuchen sollen, die Gruppen zu stärken. 
Der Relaunch erfolgte damals unter dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Groß-Seelbeck, der einen Tag vor dem Live-Gang des neuen Layouts 25.000 Aktien im Wert von 1,4 Mio. Euro verkaufte. Der Kurs der XING-Aktie gab unmittelbar nach dem Relaunch deutlich nach. Das war zumindest vom Timing her nicht wirklich glücklich. 
Burda scheint, wie zuvor Holtzbrinck mit StudiVZ, kein sonderlich glückliches Händchen im Netz zu haben. Vor einigen Jahren noch war LinkedIn für viele keine Alternative. Inzwischen aber hat LinkedIn sich weiter entwickelt und sein Layout ein wenig an die Gewohnheiten seiner deutschen bzw. deutschsprachigen Mitglieder angepasst. Die interessantesten Meldungen und Diskussionen auf beruflicher Ebene finden derzeit, jedenfalls für mich, auf LinkedIn statt. Abgesehen davon ist LinkedIn ohnehin auf dem Weg, das Facebook für die Berufswelt zu werden. Im Hintergrund wirkt dabei eine der größten und erfahrensten Data-Scientists-Abteilungen im Netz. 
Aber, vielleicht weiß Hubert Burda ja Rat. In seinem neuen Buch Notizen zur digitalen Revolution 1990-2015, spricht Burda von der Infosphäre als Synonym für die neue Realität in der Medienwelt. Die Welt als Informationsraum. Wirklich interessante Gedanken – ohne jede Ironie angemerkt. 
Ob allerdings für XING in diesem Informationsraum auf Dauer noch Platz ist, das steht in den Sternen und gehört der Sphäre der Transzendenz an, die Burda ohnehin für entscheidend hält. Auch hier kein Widerspruch. 

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