Von Ralf Keuper 

Eigentlich sollte man annehmen, dass Lesezirkel mittlerweile aus der Mode gekommen sind. Im Zeitalter des E-Books und sozialer Netzwerke ist das Zusammentreffen an einem bestimmten physischen Ort, wie seinerzeit in dem legendären Salon der Rahel Varnhagen, überflüssig. Den Aufwand, im Sinne von Reisen, Beköstigung, Übernachtung usw.,  kann man sich eigentlich sparen. Und dennoch ist die Zahl klassischer, analoger Lesezirkel in Deutschland noch immer beachtlich, wie u.a. aus dem Beitrag Prosa statt Prozac hervorgeht. Fortschrittliche Unternehmen versuchen dieses Phänomen für innerbetriebliche Zwecke zu nutzen:

So unterschiedlich sich Lesekreise im Einzelnen gestalten, immer geht es um das Lesen im Kontext der Gruppe. Deshalb bieten auch Unternehmen wie die Londoner Warenhauskette Marks & Spencer eigene Lesegruppen an – zur Förderung des Betriebsklimas. Statt für die Angestellten gemeinsame Ausflüge in den Klettergarten zu organisieren oder teure Achtsamkeitsseminare anzubieten, werden Tolstoi & Co. aufgerufen, um betriebliche Verbundenheit herzustellen.

Von einem Lesekreis wie der Bristol Friendly Society, einer Mischform aus analogem und digitalem Lesekreis, sind wir hierzulande wohl noch weit entfernt:

Das wohl längste Gespräch über Literatur aber führt wohl die „Bristol Friendly Society“; es dauert seit 1799 an. Die Mitglieder kennen sich nicht persönlich, sondern schicken sich gemeinsam ausgewählte Titel nach der Lektüre gegenseitig per Post zu – versehen mit Karteikärtchen, auf denen ihr Urteil über das jeweilige Buch notiert ist. Dieser frühe Vorläufer heutiger Online-Foren wie „Goodreads“ (angeblich 25 Millionen Mitglieder) oder „Mashable“ (34 Millionen) lässt dabei aber ebenso wie diese außer Acht, dass für viele Leseverbündete die persönliche Begegnung entscheidend ist: Gerade weil es immer irrelevanter geworden ist, sich zu treffen, suchen sie den persönlichen Kontakt.

Die analogen Lesezirkel als Reaktion auf die wachsende Zahl der digitalen.

In den USA suchen die Verlage, bzw. deren Marketing-Abteilungen, den direkten Kontakt zu den Leserkreisen und bieten ihre “Hilfe”, wie bei der Suche nach geeignetem Lesestoff, an;  nicht immer zur Freude der Leser.

Hörenswert in dem Zusammenhang ist das Interview Wie werden wir in Zukunft lesen? mit Ullstein-Chefin Siv Bublitz, die darin die Plattform vorablesen.de erwähnt. Den Erfolg der Plattform führt Bublitz darauf zurück, dass die Plattform, die von Ullstein initiiert wurde, anderen Verlagen offen steht.

Ein ähnlichen Ansatz verfolgen Christoph Kappes und Sascha Lobo mit ihrer Plattform sobooks.

Ein Gedanke zu „Lesezirkel: Zwischen analog und digital“

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