Von Ralf Keuper

Nicht wenige sehen in ihm den Vorläufer der heutigen Suchmaschinen: Der Zettelkasten. Einer der letzten Wissenschaftler, der dem Zettelkasten als Medium besonders zugetan, und in der Anlage und Pflege ein wahrer Meister, war Niklas Luhmann. Erst kürzlich hat die nordrhein-westfälische Akademie der Künste  fünf Millionen Euro für die Erforschung von Luhmanns Zettelkasten bereit gestellt. Über den Sinn und Zweck dieses Vorhabens darf indes gestritten werden. Auch der Philosoph Hans Blumenberg bediente sich bei seinen Forschungen ausgiebig des auf uns antiquiert wirkenden Wissenswerkzeugs. Laut einer Anekdote befanden sich Luhmann und Blumenberg in einer Art Fernduell – wer verwendet Zettelkästen am längsten und wer hat die meisten.

Im vergangenen Jahr widmete das Literaturarchiv Marbach dem Zettelkasten unter dem Titel Zettelkasten. Maschine der Phantasie eine eigene Ausstellung. Hektor Harkötter hat dazu einen lesenswerten Bericht verfasst.

Der Zettelkasten war auch ein Wegbereiter der modernen Datenverarbeitung. Die ersten Büromaschinen wurden von ihm ebenso beeinflusst, wie Softwareprogramme und Datenbanken.

Das Buch ZettelWirtschaft von Markus Krajewski gibt einen weiteren Einblick in das Wesen des Zettelkastens.

Per twitter wurde ich auf Zettels Traum, das Hauptwerk von Arno Schmidt, hingewiesen, das man auch als eine andere, literarische Form des Zettelkastens auffassen kann.

Wikipedia wird mitunter auch als kollektiver Zettelkasten bezeichnet, wie von dem Literaturwissenschaftler und Wikipedia-Autor Olaf Simons.

So gesehen scheint die Zeit des Zettelkastens noch lange nicht vorüber zu sein.

Weitere Informationen:

Niklas Luhmann über seinen Zettelkasten

Niklas Luhmanns Zettelkasten in der Kunsthalle

Maschinen für die glückliche Suche

Kosellecks Zettelwirtschaft

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