Bilder ergreifen den Körper. Hier läuft eine Wahrnehmungssystematik ab, die von einer solchen Komplexität ist, dass sie nicht unmittelbar auf Texte abgespiegelt und daher auch nicht durch Texte vollständig kontrolliert werden kann. Was von Bildern ausgeht, ist eine gesamt-sinnhaftige und eine gesamt-sinnliche Erfahrung. Bilder, die Sie ergreifen, bleiben nicht an Ihrem Vorbewusstsein stehen, sondern verändern es. Es ist eine Disqualifizierung des Bildes als Bild, wenn es mit Texten unmittelbar kurzgeschlossen und damit gleichsam trockengelegt wird. Hierin liegt die Crux der Hermeneutik, welche sich mit Bildern beschäftigt. Aus diesem Grund hat Erwin Panofsky seine drei Schichten des Primärzugangs, dann der Vergleichsreihen der ikonografischen Bestimmung und schließlich der kulturellen Einbindung, bei der Texte natürlich eine wichtige Rolle spielen, entwickelt. Die Ikonologie versucht, diese Unauslotbarkeit in eine „Verhandlichung“ zu bringen. Ich gehe ebenfalls immer vom Bild aus. Immer! In Seminaren muss das Licht ausgehen, und zu Beginn eines Referats muss eine Beschreibung stehen. Wenn hingegen ein Referat beginnt: „Der Künstler hat gelebt von …“, oder: „Dieses Gemälde zeigt das historische Ereignis…“, ist das Referat in der Regel falsch eingefädelt. Es muss die Näherung zum Bild aus dem Bild heraus geschehen. Erst dann beginnt die Spirale der Umkreisung, der Konterkarierung und der historischen Bestimmung, um dann zur Form zurückzukehren und diese genauer zu bestimmen.

Quelle: Geschichtswissenschaft und das Bild als historische Kraft – Ein Interview mit dem Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp 

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