Die Globalität, die komplexe Kommerzialität, die Gefahren der politischen Instrumentalisierung, die Störanfälligkeit einer total vernetzten Welt, die völlige Abhängigkeit vom Computer auch für elementare Lebensvollzüge und Arbeitsprozesse – all dies geht weit über das hinaus, was der Buchdruck je bewirkte oder anrichtete. Und doch mehren sich die Zeichen, dass die digitale Medienrevolution die typografische nicht ablöst, sondern fortsetzt: Printmedien erweisen sich als attraktive Flucht- und Ruhepunkte, je unumgänglicher das Tagwerk im Internet zugebracht wird. Beharrlich bestätigen Untersuchungen von Leseforschern, dass auf Papier Gelesenes tiefer angeeignet wird und geduldiger macht. Die Lesesäle der Bibliotheken sind voller denn je; sie sind Orte der spezifischen Kommunikation und der sozialen Interaktion geworden – und dies, obwohl, nein: gerade weil unendlich viel Lesbares online verfügbar wäre. Handgeschriebene Zeilen werden als etwas Besonderes genutzt, je leichter und schnelle man elektronisch kommunizieren kann. Analoge menschliche Präsenz wird umso erwünschter, je selbstverständlicher die digitale ist. Gerade die Kontingenzen der Pandemie, die unsere Zeit- und Geschichtserfahrung in ein Vorher und ein Nachher teilen, sensibilisieren dafür, Bewährtes zu bewahren, dem Druck technokratischer Modernisierungszwänge zu widerstehen und die Digitalisierung als kulturelle Herausforderung anzunehmen und human zu gestalten.
Quelle: Die Druckmacher. Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte, von Thomas Kaufmann