Die Kultur des Fernsehens hat sich vom Bildschirm in die Vieldimensionalität der Installation begeben. Das einstige Möbelstück wird mit aufwendigen Soundsystemen und Beamerkonstruktionen, konkaven Flatscreens, mobilen Einheiten und anderen Expansionen in den drei dimensionalen Raum gehoben. Diese Erweiterung des Televisuellen findet nicht nur im Kunstkontext, sondern auch in häuslichen sowie pseudoöffentlichen kommerziellen Räumen statt. Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildet der Screen. Die Kathodenstrahlröhre war lange Zeit die technische Grundlage für den Inbegriff des Bildschirms. Seit den 1990er Jahren hat sich jedoch eine derart dynamische Entwicklung vollzogen, dass kaum vorstellbar ist, wie ein Bildschirmtypus weit über ein halbes Jahrhundert dominieren konnte.Verschiedenste Screen-Formate sind momentan nicht nur in der Kunst allgegenwärtig. Bildschirme, Projektionsflächen, Monitore und elektronische Displays bilden zentrale Vermittlungsinstanzen (Interfaces) der heutigen Lebenswelt und haben sich als Horizont der visuellen Kultur so rasant diversifiziert und aufgefächert, dass jede begriffliche Zusammenfassung notwendig im Unspezifischen verbleibt. Screens sind heute ubiquitär, sodass sich auch ihre Rollen und Funktionsweisen zu einer unübersichtlichen Vielfalt vermehrt haben – allen voran mit PC und Smartphone. Sie sind direkt mit Kameras und Mikrofonen verkoppelt, mit Gesichtserkennungs-Software verschaltet, mit Spielekonsolen oder Bankomaten liiert, in Netzwerke eingelassen und mit Archiven kurzgeschlossen. Die Kultur des Televisuellen wird folglich weiter zu fassen sein als es das Erscheinungsbild eines Empfangsgeräts mit Bildschirm zuließe. Viele performative Tendenzen der Gegenwartskunst der Gegenwartskunst bis hin zum Selfie-Kult sind vom Darstellungszwang und der Selbstdarstellungsmanie der Fernsehkultur geprägt, wie auch die Entwicklung der Medieninstallation nicht ohne die Produktionslogik des Fernsehens denkbar ist. ..
In der visuellen Kultur hat sich der Screen als ästhetische Hybridfigur etabliert. Aggregatförmig vernetzten sich Screens über die globalen Kommunikationsmedien und steuern als universale Interfaces die omnipräsenten technischen und sozialen Praktiken, deren enge Verflechtungen zwischen „Medien und Milieus“ schließlich auch künstlerisch reflektiert werden. Mit den polyfokalen Screen-Präsenzen und -Interaktionen verändern sich die Aufmerksamkeitskonzepte und das Wechselverhältnis zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit, denn ihre dispositiven Wirkungsweisen realisieren sich ebenso als Panoptikum wie als Maskierung, als Disziplinierungsinstanz wie als Projektionsfeld und Plattform individueller Selbstverwirklichung. Gleichzeitig vervielfältigen sich mit den Screens die Sichtbarkeiten und immersiven Simultaneitätserfahrungen. Sie konvergieren in dialektischen Bezügen zwischen Überwachung und Navigation operativ, politisch wie ästhetisch.
Quelle: Ursula Frohne, Christian Katti: TV als Passion: Kontrolle, Exzess, Konstrukt, TeleGen – Kunst und Fernsehen, hrsg. von Dieter Daniels und Stephan Berg