Von Ralf Keuper
In der FAZ (Printausgabe) vom 17.08.2016 fordert Markus Runde die Einführung eines Digitalgesetzes. Mittlerweile sei es den Bürgern kaum noch möglich, sich dem Einfluss einiger weniger Digitalisierungsunternehmen, wie Google oder facebook, zu entziehen, ohne dass man zuvor sein Einverständnis gegeben hätte bzw. danach explizit gefragt worden wäre:

In welchem gegenseitigen Verhältnis stehen wir aber zu den Monopolen weniger Digitalisierungsunternehmer? Haben wir ein Ergebnis über den Umfang gefunden, in dem wir eine Digitalisierung an uns zulassen? Haben wir diesen Unternehmen unsere Stimme gegeben…?

Die Digitalisierungsunternehmen verfolgen ihr Eigeninteresse, ohne allzu große Rücksicht auf das Gemeinwohl zu nehmen. Gewinnmaximierung ist das Gebot:

Jedes dieser Unternehmen ist ausschließlich den Eigentümerinteressen, der Gewinnmaximierung verpflichtet. Das “Netz” als Instrument der Teilhabe aller ist eine große sozialromantische Verklärung. Für unsere Daten erhalten wir keine Gegenleistung, nicht einmal eine Antwort auf unsere Suchanfragen, sondern nur Impulse, die zu unseren Nutzerprofilen passen und sich für Digitalunternehmer bestmöglich kommerzialisieren lassen. Wir werden verändert: Der unaufgeklärte Mensch wird verändert, da er die Digitalisierung nur mit der “Schere im Kopf” nutzt, im Bewusstsein der dauernden Überwachung und Verwendung der Daten über ihn. Die Digitalunternehmer nehmen diese Veränderung an uns vor. Sie reduzieren uns auf Google- und Facebook-Datenwerbeprofile. Die Aufarbeitung und algorithmische Deutung unserer Suchanfragen, ihre Profile von uns, führen über zu immer verengteren Kreisen und Impulsen, deren selbstreferenzieller Charakter uns determiniert. Wir werden um jedes Korrektiv unserer immer auch einseitigen Interessen gebracht, korrigierende Informationen und abweichende Meinungen werden uns immer weniger zugänglich gemacht.

Der Autor spricht zum Schluss des Absatzes das Phänomen der Filterbubble an. Die Frage ist jedoch, ob es nicht auch ohne Filterbubble dabei bliebe, dass die meisten von uns sich die Informationen und Meinungen suchen würden, die zu unserem Weltbild passen. 
Scheinbar reichen Runde die Bestimmungen der GDPR nicht aus, um die Informationelle Selbstbestimmung der Menschen zu sichern.
Runde fordert daher den Erlass eines Digitalgesetzes. Darin würden Digitlaisierungsunternehmen wie Amazon und Google dazu verpflichtet, eine Art Beipackzettel ihrer Angebote zu veröffentlichen. Bestandteile dieses Beipackzettels wären u.a. folgende Erläuterungen/Hinweise:

  • dass jede Nutzung der digitalen Oberflächen ggf. mit persönlichen Daten bezahlt wird
  • dass Werbeprofile jedes Nutzers erstellt werden, um von den Digitalunternehmen mit hohem Gewinn u.a. an die werbetreibende Industrie veräußert werden. ..
  • wie sich vorangegangene Datenlieferungen der “Nutzer” im Rahmen von Bestellungen, Einträgen, digitalen Tätigkeiten jeder Art auf die aktuelle Profile, die neuen Suchen, Bestellungen, Einträge sowie digitalen Tätigkeiten des Nutzers auswirken. 

Hinzuzufügen wäre dieser Liste noch die Möglichkeit des Nutzers, sich alle über ihn im Netz verfügbaren Daten, die in Bewertung seiner Bonität und/oder Reputation eingehen, das sog. Social Scoring, anzuzeigen und in Besitz nehmen und revidieren zu können. 
Wer die Anforderungen des Beipackzettels nicht erfüllt, soll, wie im Bereich der Arzneimittel, vom Zugang zum Markt ausgeschlossen werden:

Wer die Zulassungsvoraussetzungen nicht einhält und den Beipackzettel vergisst, kann seine Medikament in Deutschland nicht verkaufen. Digitalunternehmer, die in Deutschland mangels Anschrift nur unkörperlich anwesend sein möchten, digital mit “nicht auffindbar” gleichsetzen und ihren Datenlieferanten die Funktionsweise des Algorithmus nicht erklären wollen, können ihre vermeintlichen “Dienste” in Deutschland dann nicht mehr anbieten. 

Das dürfte in absehbarer Zukunft schwer durchzusetzen sein. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir, wie Yvonne Hofstetter fordert, eine Treuhandstelle für Algorithmen oder Algorithmic Angels bekämen. Das wäre ein Geschäftsfeld für die Banken bzw. sog. Personal Data Banks. 

Quelle: Markus Runde: Wir brauchen ein Digitalgesetz. FAZ vom 17.08.2016, Seite 17

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