Von Ralf Keuper

Momentan wird eine Debatte geführt, die um die Frage kreist, wie schlimm es um die Germanistik bestellt ist und ob wir sogar gezwungen sind, von einer Krise der Germanistik zu sprechen. Auslöser des aktuellen Diskurses zur Existenzberechtigung der Germanistik war der Beitrag Wer war Goethe? Keine Ahnung, irgendso’n Toter von Martin Doerry im Spiegel. Im Zentrum steht dabei der Vorwurf, die Germanistik “habe jegliche politische Relevanz verloren, sich im Elfenbeinturm eingeschlossen und verpasse alle wichtigen gesellschaftlichen Trends”. Als Reaktion darauf meldeten sich zahlreiche Germanisten in den Medien zu Wort, um zu verdeutlichen, warum die Germanistik auch weiterhin von Wert ist, wie die folgenden:

Joachim Gütner bringt dagegen in Nur allzu wenige glänzen  Verständnis für die Kritik an der Germanistik auf:

Die Schelte der universitären Literaturwissenschaft hält sich nicht deswegen hartnäckig, weil einige Feuilletonisten vor Unverstand strotzen. Die Kritik kehrt alle Jahre wieder, weil sie bei aller Einseitigkeit wunde Punkte berührt. Es schmerzt, wenn so viele Vertreter des Fachs es nicht für nötig halten, mit der Interpretation von Literatur und der Vermittlung dieses Wissens zu glänzen.

Ein Problem heutiger Literaturwissenschaftler, die nicht an die Stilistik eines Schlaffer oder von Matt heranreichen, ist:

Entweder haben sie kein reizvolles Thema, spielen Glasperlenspiele, oder sie benutzen den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit als Ausrede für schlechtes Deutsch. Oder beides. Die Selbstbezogenheit akademischer Schriften, die gedankliche Schlichtheit mit terminologischem Schwurbel tarnen, bleibt ein Graus.

Eine weitere Erklärung liefert der Beitrag Die unsichtbare Germanistik. Über eine Debatte in ihrer Krise . Demnach besteht das eigentliche Problem darin, dass es in einer pragmatischen Welt weniger um die theoretisch und ästhetisch anspruchsvollste, sondern um die für den Zeitpunkt effektivste Lösung gehe:

Der Spiegel-Artikel sah die Nutzlosigkeit der Germanistik deshalb wohl eher in Bezug auf die pragmatische Welt, die nichts damit anfangen kann, wenn komplexe kulturelle Kompetenzen in der Lehre und Forschung über Hölderlin geschult werden, weil es unklar ist, ob diese überhaupt in die Gesellschaft zurückwirken. Man kann dagegen einwenden, dass Rückwirkungen aus den Geisteswissenschaften nie direkt sichtbar sind, da sie indirekt und über Umwege wirken. Nur überzeugt das aber nicht die pragmatische Welt, die wiederum mehr sehen möchte als nur eine zurückgezogene Germanistik, die im Hintergrund agiert und dort möglicherweise die Fäden zieht.

Für anregend halte ich die Gedanken von Kai Kauffmann zum Schluss seines Beitrags Reden wir über die Deutschlehrer in der FAZ vom 20.06.17:

Wäre es nicht, .. , für die Schüler wichtiger zu lernen, kompetent mit den Bildern und Texten des Internets umzugehen, als etwa Gedichte von Eichendorff zu interpretieren? Doch ein engagierter Literaturunterricht, der sich ja auch für die speziellen Formen der neuen Medien öffnen kann, bietet weiterhin die besten Chancen, die sprachlichen Artikulations- und Reflexionsfähigkeiten der Schüler auf ein  hohes Niveau zu steigern. Ein solches Niveau ist die Voraussetzung für jedes wissenschaftliche Studium, nicht nur der Germanistik.

Von McLuhan

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