Von Ralf Keuper
Bei der Bewertung der Auswirkungen von Streaming-Diensten wie Spotify auf die Musikindustrie gehen die Meinungen z.T. deutlich auseinander. 
So zeichnet etwa der Indierocker Phillip Boa in einem Interview mit dem Deutschlandradio ein düsteres Zukunftsbild der Musikbranche. Mit seiner Haltung weicht er jedoch etwas von der üblichen Argumentation anderer Kritiker ab, die in erster Linie auf die geringen Verkaufserlöse abzielen. Für Boa droht vor allem der künstlerische Wert der Alben unterzugehen. Einzelne Titel könnten dem Zuhörer den durch ein Album repräsentierten künstlerischen Ausdruck nicht erschließen. Schon deshalb stehe er dem Streaming, abgesehen von den ökonomischen Konsequenzen, ablehnend gegenüber. Für sich schätzt Boa die Konsequenzen als nicht so gravierend ein, wie für Musiker, die am Beginn ihrer Karriere stehen. Er könne sich auf ein großes Netzwerk stützen, das er über die Jahre hat aufbauen können. Newcomer hätten es hier deutlich schwerer. Trotzdem verfällt Boa nicht in Pessimismus, sondern rät jungen Musikern, auf die Qualität ihrer Musik zu setzen. Es wird immer genügend Platz für gute Musikstücke sein. 
Prominente Unterstützung für diese Sichtweise kommt von dem legendären Led Zeppelin – Gitarristen, Jimmy Page. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußerte er die Überzeugung, dass sich Qualität immer durchsetzen werde. Übrigens steht Page dem Streaming nach anfänglicher Ablehnung inzwischen wohlwollend gegenüber. 
Da ist der ehemalige Frontmann der Talking Heads, David Byrne, nicht so optimistisch. In einem Interview mit dem Guardian vor einem Jahr, ließ er kaum ein gutes Haar an dieser neuen digitalen Verwertungsform. 
Besonders betroffen vom Streaming-Effekt sind die eher randständigen Musikformen wie Jazz und Klassik, die in den Datenbanken der großen Anbieter schlicht untergehen würden, wie in Salon vor einigen Monaten zu lesen war. Anders, als es Chris Anderson in seinem Bestseller The Long Tail prophezeit hat, bietet die Nische nicht genügend Nahrung für Musiker und Musikgattungen, die sich an ein überschaubares Publikum wenden. 
Dennoch gibt es Stimmen, die im Streaming eine große, eigentlich: die Chance für die Musikindustrie sehen, wie Martin Weigert. Für ihn ist es eine Frage der Betrachtungsweise, ob man im Streaming den Niedergang oder das Aufblühen der Musikindustrie erkennen will. Dabei lenkt er den Blick auf die Gesamterlöse innerhalb eines Marktes. Anhand eines Rechenbeispiels kommt er zu dem Ergebnis, dass der Streaming-Jahresumsatz um einiges höher liegt, liegen könnte als allgemein angenommen. Sobald einmal Klarheit über die wahren Erlösquellen und ihre Profiteure hergestellt sei, so Weigert, würden auch die stärksten Kritiker die Chancen erkennen, die dieses neue Geschäftsmodell für sie bietet. Bis dahin sei es, so räumt er ein, jedoch noch ein steiniger Weg. 
Entspannt sieht die Digitalisierung der Musikindustrie auch Tim Renner. Für ihn ist digital ohnehin besser, wie er u.a. in einem Fachvortrag seine Zuhörer wissen ließ. 

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