Von Ralf Keuper
Die Geschwindigkeit, mit der die Entwicklung auf dem Gebiet der Neuen bzw. digitalen Medien verläuft, ist schon atemberaubend. Es fällt nicht leicht, zwischen Hype, Sensation und wirklicher Information zu unterscheiden.
Trotzdem will ich mich auf dieses Wagnis in den folgenden Zeilen einlassen:
Für einiges Aufsehen sorgte die Ankündigung des schweizer Startups Wire, den ohnehin nicht gerade an Mangelerscheinungen leidenden Markt für Messagingdienste mit einer weiteren Lösung beehren zu wollen. Mittlerweile wurde die neue „Messaging-Wunderwaffe“, an der u.a. der Skype-Mitgründer Janus Friis mitgewirkt hat, am Markt eingeführt. Auf venturebeat äußert sich Paul Sawers in Could Wire be the messaging app the world has been wating for? zwar nicht euphorisch, kann aber sein Wohlwollen nicht ganz verbergen. 
Auch Wissenschaftler verfügen, anders als ihnen häufig unterstellt wird, über einen ausgeprägten Spieltrieb. Von diesem scheint jedenfalls Jeffrey Alexander in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau übermannt worden zu sein, in dem er die Krise des Journalismus lediglich als eine kulturpessimistische Überreaktion bezeichnet. Das Spiel, das er dabei scheinbar im Sinn hatte, ist das unter Kinder immer noch beliebte: 

Ich sehe was, was du nicht siehst!

Zeitungssterben? Ja schon, ein bisschen, aber nicht dramatisch. Vertrauenskrise des Journalismus? Keine Spur. Es gelten nach wie vor objektive Maßstäbe bei der Interpretation der Informationen, das Ansehen der Branche sei hoch, das ihrer Mitarbeiter, der Journalisten dagegen, zugegeben, ausgesprochen gering – woher nur dieser Widerspruch? Gibt es ihn etwa gar nicht? 
Die Form des Journalismus, wie er uns in letzter Zeit präsentiert wird, braucht kaum noch jemand. PR-Journalismus und Herdentrieb können nicht ernsthaft für eine optimistische Prognose der Branche herangezogen werden. „Pfeifen im Walde“ scheint das Motto zu sein. Die Realitätsverdrängung der Branche hält an, die Karawane zieht unterdessen weiter. Ob das an den „objektiven Kriterien“ der Journalisten liegt?  Wer weiß, wer weiß … 
Im Vergleich dazu stimmt der Start des Gemeinschaftsprojektes „News-Stream 3.0“ fast schon hoffnungsvoll. Kulturpessimismus – sieh dich vor!
Es zeigt sich immer mehr, dass das Thema Datenschutz auf die Agenda von uns allen gehört, wie alleine die folgenden Artikel belegen:

Die Rufe nach einer sicheren digitalen Identität, wie von Lukas Praml, werden daher lauter. 
Das Thema der Netzneutralität bewegt die Gemüter. Martin Weigert bringt den Stand der Diskussion in Wieso alle Argumente pro Netzneutralität keine Rolle spielen auf den Punkt. 
Martin Spitzer setzt seinen Kreuzzug gegen die verheerenden Auswirkungen übermäßigen (?) Konsums digitaler Medien fort, wie unlängst in einem Vortrag in Eckenförde. Dort sprach er u.a. von einem „Synapsensterben“. 
Auf Unterstützung aus den Reihen der deutschen Linguisten kann Spitzer wohl nicht rechnen. Diese sind laut einer Studie – oh Schreck – mehrheitlich der Meinung, dass die Digitalen Medien die deutsche Sprache bereichern würden. Wenn das man nicht schon ein direkte Folge des Synapsensterbens ist 😉
Bei Bertelsmann hält man im Vorstand derweil an einem vertrauten Ritual fest – der frühzeitigen Verabschiedung eines Mitglieds aus den eigenen Reihen. In den Genuss des Rotationsprinzips kam diesmal Finanzchefin Judith Hartmann, die den Konzern nach nur, oder immerhin (?), zwei Jahren verlässt. Wer nun befürchtet, dass die Controller im Konzern an Einfluss verlieren könnten, darf sich von Hans-Peter Siebenhaar beruhigen lassen. Die Bäume in Gütersloh, sie werden auch in Zukunft nicht auf Entlastung hoffen können, denn, wie sagte der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma einmal: 
In Gütersloh sitzt auf jedem Baum ein Controller. 

Und sich dann noch über das Waldsterben wundern 😉
Es bleibt abzuwarten, ob der ehemalige Springer- und BertelsmannSpringer-Chef, Jürgen Richter, mit seiner in einem Interview gemachten Aussage Vom Anspruch nicht viel übrig nicht Recht behalten sollte. Die Chancen für das Eintreten seiner Prognose waren jedenfalls schon mal schlechter. 
Ein Zeichen der Hoffnung? Falls ja, dann wohl nicht nur für die Bäume. 

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