Von Alfred Fuhr
Hinweis: Der Beitrag ist eine Antwort auf Kann Deutschland keine Digitalisierung?
Unlängst hat Dr. Erich Behrendt von den eBusiness Lotsen Südwestfalen in einem sehr guten Vortrag genau Ihre Argumentationslinie aufgezeigt und mit weiteren Beispielen von sehr guter deutscher Ingenieurs-Basisarbeit und eben der Bereitstellung der Technologie für die Digitalisierung, in der fast alles aus Europa kommt, unterstützt. Ich möchte hier nur noch ergänzen, dass selbst die Frage der Verschlüsselung und die Impulse zu mehr Datensicherheit und Privacy, die derzeit in Silicon Valley sehr stark beobachtbar sind, aus Europa ihr Knowledge ziehen. 
Technische Security Lösungen kommen dort von neu gegründeten amerikanischen Firmen, die aber meist von Experten, die aus dem Ruhrgebiet kommen, gegründet wurden. Get real. 

Wohltuend, dass Sie hier vermitteln wollen, denn es kann uns alle doch nicht wirklich überraschen, dass Deutschlands Unternehmen nicht genau das tun, was die Heils- Propheten der Digitalisierung verkünden und schon sehr viel schneller umgesetzt sehen. Die Digitalisierung ist ein spannendes gesellschaftliches Phänomen, das der leider verstorbene Soziologe Ulrich Beck mit Recht und Vorahnung eine Risikofeststellung nannte. Wir sollten daher mit Mut aber auch gegenüber allzu großen Idealisierungen skeptisch an die Digitalisierung im Alltag heran gehen und hier zeigt sich sehr schnell, dass ein digitales Netzwerk in der Idealvorstellung der Digitalisierungseuphorie eben nicht wie von selbst läuft. 
So einfach ist es nicht. Das lernt man; wenn man wie ich, in verschiedenen Netzwerken, sowohl analogen als auch nunmehr vor allem virtuell kommunizierenden digitalen Netzwerken, unterwegs ist und daher schätze ich es sehr, wenn die Diskussion an den alltäglichen Erfahrungen empirisch begründet ansetzt und es nicht nur um die Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten, sondern auch um die Mühen der Ebenen und die unintendierten Nebenfolgen der Digitalisierung in ihrem Blog geht. 

Digitalisierungen sind als soziale Systeme konstruiert ist eben auch das: Risikofeststellungen und sie sind 

die Gestalt, in der die Ethik, und damit auch die Philosophie, die Kultur, die Politik, – in den Zentren der Modernisierung- in der Wirtschaft, den Naturwissenschaften, den Technikdisziplinen wieder aufsteht. 

und wie gut Ulrich Becks Definition auf die Digitalisierung angewendet – weiter geht ist aktueller denn je: 

Risikofeststellungen sind eine noch unerkannte Symbiose von Natur- und Geisteswissenschaft, von Alltags- und Expertenrationalität, von Interesse und Tatsache. Sie sind gleichzeitig weder nur das eine noch das andere. Sie sind beides und zwar in neuer Form. Sie können nicht mehr spezialisiert von dem einen oder anderen isoliert und an den eigenen Rationalitätsstandards entwickelt und fixiert werden. Sie setzen ein Zusammenwirken, über die Gräben von Disziplinen, Bürgergruppen, Betrieben, Verwaltung und Politik voraus oder- was wahrscheinlicher ist- zerbrechen zwischen diesen in gegensätzliche Definitionen und Definitionskämpfe (Ulrich Beck, Risikogesellschaft, Frankfurt am Main, 1986, S.38).

Was Beck 1986 unter dem Eindruck der damals gerade auf dem Höhepunkt der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl an Gedanken entwickelte ist auch sehr gut um die Schwierigkeiten zu beschreiben, die Deutschland mit der Digitalisierung angehen und eines Tages auch lösen wird, denn es ist natürlich nicht einfach, wenn durch die Modernisierung – sprich- Digitalisierung nun die Industrie, wie Beck damals schrieb, selbst durch den Erfolg der eigenen Modernisierung “labilisiert” wird: 

Ulrich Beck schrieb damals: 

Wir erleben einen Wandel der Grundlagen des Wandels. Dies denken zu können, setzt allerdings voraus das das Bild der Industriegesellschaft revidiert wird.

Und um es heute noch genauer zu fassen: Die Geschäftsmodelle, aber auch die Organisation der Produktion und deren Management, werden durch die Digitalisierung eben nicht einfach digital abgebildet, sondern als Nebenfolge gleich entweder abgeschafft oder auf den Kopf gestellt, was erklären hilft, warum wie neulich bei einem Gründertreffen der Data Assistance Europe (Hinweis: Der Autor und der Blogbetreiber sind Gründungsmitglieder) ein Vertreter der alten Schule nach einer Präsentation einer Big Data Anwendung laut und empört ausruft: “Das ist doch kein Geschäftsmodell”, aber nach einem Tag langer Gespräche und einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf am Morgen dann im Gespräch begeistert ist von den Möglichkeiten, die ein Portal mit digitaler Kommunikation für seine bisherige Arbeit für ihn nun selbst erkennen lässt. 

Deutschland kann Digitalisierung können, doch es kommt eben darauf an, dass Gräben überwunden, Ängste abgebaut, aber auf der anderen Seite eben auch Netzphantasien und Datenschutzprobleme nicht weg gewischt sondern als ernstes Problem für die Durchsetzung und die Akzeptanz all dessen was Digitalisierung heißt, wahr genommen und technisch aber auch durch Einhalten von Prozessen und kluges Überdenken der Strukturen des Netzes gelöst werden. Das kostet Nerven, Zeit und auch Geld, und die Bereitschaft wechselseitig sich zu zu hören und auch auf die dümmsten Fragen nicht mit Arroganz und Hochmut zu antworten..

Andererseits aber auch den Mut das bisher unhinterfragte und sicher noch derzeit erfolgreiche und profitable Geschäftsmodell auf seine Schwächen hin zu analysieren. Die Fähigkeit die dafür nötig ist, Selbstreflexion und eine Problemerörterungskulturkompetenz hat Deutschland und die dafür nötigen Organisationen auch. Um sie werden wir, wie von Harvard Businees Professoren, beneidet, denn diese Innovationscluster sind bei uns flächendeckend vorhanden, während es in den USA nur ein paar solcher Zentren gibt und von ihnen vor allem nur von Big Playern, während bei uns sowohl große Unternehmen als auch das kleine Pflänzchen Startup Kultur, der aufgeweckte Mittelstand und die vielen hidden champons darin die Digitalisierung inzwischen auf ihren Stammtischen, IHK- Veranstaltungen thematisieren. Digitalisierung ist auch wenn bis in die Ortsvereine der Parteien Internet als Thema hinunter besprochen und über die Abgeordneten in den Gremien des Bundestages wieder hinauf kommuniziert werden. Oder über die Verbände in direktem Dialog mit Technologie, Service und Dienstleistern Unternehmen Wissen akkumulieren, dass dort neue Ansätze ermöglicht, weil von dem Unternehmen selbst dann die Anforderungen an Digitalisierung erarbeitet werden.

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