Die Journalisten identifizierten sich gern mit der Aufgabe der Presse, zu sagen, “was in allen Gemüthern treibt und drängt”, “worüber alle einverstanden sind”, als “Stimmführer” des Volkes zu fungieren und anerkannt zu werden, nicht “knechtisch” nur Tatsachen zu erzählen, sondern zu urteilen – wie Görres 1814 meinte; hier wird die Parteimeinung und das Allgemeine, was alle denken sollen, noch unbedenklich in eins gesetzt. Dieser Anspruch bestimmt auch den Typus des Journalisten, wie er mit dem “philosophisch-politischen Journalismus” nach 1830 vordrängt. Das Leben und die Literatur und andere Bereiche mehr werden politisiert, den philosophisch-politischen Normen unterstellt; ..

Die Presse sei das “Organ des Gesprächs der Zeit mit sich selbst”, meinte der Jungdeutsche Robert Prutz, die Tagesschriftstellerei appellierte von der vorhandenen “beschränkten” Meinung an die “unbeschränkte” gebildete Meinung, an die Diskussion – und man war noch liberal überzeugt, dass Demagogie und Lüge in solchen Diskussionen verschwinden würden, dass sich das “wahre” Allgemeine herausstellen werde. Aber der Meinungsjournalismus war auch der Versuch, Ideen zu propagieren und Anhänger zu werben. Jedenfalls waren Parteinahme, Urteil, kritische Reflexion für den Journalisten typischer als Berichterstattung und Information; die veröffentlichte Meinung war darum mit der öffentlichen Meinung nur zum Teil identisch; bestimmte Realitäten, wie das Land oder das katholische Volk, waren fast ausgeblendet, andere -wie die kirchlichen Aufklärungsgruppen der 40er Jahre – überbelichtet. Nach 1848 gewinnt dann der neue Realismus – gegen philosophische Doktrinen und die Übermacht der kritischen Reflexion – , gewinnt das Faktum an Gewicht. Erst eine Zeitung, die die Wirklichkeit spiegelt, kann, so denkt man, wirklich eine realistische politische Meinung bilden.

Quelle: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, Autor: Thomas Nipperdey

Von McLuhan