Von Ralf Keuper
Die Verbreitung neuer Technologien, die die Kommunikation der Menschen untereinander mobiler, d.h. standortungebundener gestalten und die darüber hinaus zu einer aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen anregen, verleiten häufig zu der Annahme, dass mit ihnen nun ein völlig neues Zeitalter anbreche.
Fortan werden die Menschen nicht mehr nur passive Nutzer sein, sondern kreativ von den Möglichkeiten der neuen Kommunikationstechnologien Gebrauch machen. Mit dem Internet und der Digitalisierung, die sich in immer mehr Bereichen des Alltags Zutritt verschafft, soll die Vision nun endlich Realität werden.
Bisher, so Jan-Felix Schrape in seinem Beitrag Wiederkehrende Erwartungen – Visionen, Prognosen und Mythen um neue Medien, sei die Bilanz noch immer relativ nüchtern ausgefallen. Anders als viele Beobachter bei der Geburt einer neuen Kommunikationstechnologie angenommen haben bzw. annehmen, erweisen sich bestimmte Verhaltensmuster und Institutionen als erstaunlich wandlungsresistent. 
Der viel zitierte Strukturwandel der Öffentlichkeit als Folge des Web 2.0, die Renaissance der Demokratie, sei, bislang jedenfalls, ausgeblieben. Scharpe verweist dabei u.a. auf die verschiedenen Publikationen und Aussagen von Jürgen Habermas und Hans-Magnus Enzensberger
Der emanzipatorische Effekt neuer Medien sollte daher nicht überschätzt werden. 
Die Zukunftschancen der Massenmedien bewertet Schrape daher recht günstig, da nach wie vor zentrale Instanzen, Aggregatoren für den gesellschaftlichen Diskurs benötigt werden. Diese Rolle muss nicht zwangsläufig von den herkömmlichen Anbietern übernommen werden. Es kann durchaus sein, dass sich neue Anbieter als Drehscheibe etablieren.
Was die Einschätzung der emanzipatorischen Auswirkungen neuer Medien anbelangt, kann ich Scharpe nur zustimmen. Technologie allein reicht nicht aus, um an bestehenden Strukturen und Werthaltungen etwas grundlegend, schon gar nicht über Nacht, zu verändern.
Etwas anders verhält es sich mit seiner Bewertung der Verbreitung und Akzeptanz neuer Medien. Durch Smartphones, Tablet-PCs und Messanger-Dienste hat sich das Kommunikations- und Mediennutzungsverhalten deutlich gewandelt – und das in einer Geschwindigkeit, die man so bisher nicht gekannt hat. 

Steven Johnson berichtet in seinem Buch Wo gute Ideen herkommen von der 10/10-Regel aus der Unterhaltungselektronik, wonach es zehn Jahre braucht, um einen Standard, eine Plattform zu etablieren und weitere zehn, um ein breites Publikum zu finden. Bespiele sind der DVD-Player, HDTV und der Desktop-Computer. Mittlerweile hat sich das Verhältnis laut Johnson auf 1/1 reduziert, d.h. es braucht in bestimmten Bereichen nur noch ein Jahr um einen Standard zu entwickeln und ein weiteres, um ein ein größeres Publikum zu erreichen. Als Beispiel nennt Johnson Youtube. 

Augenfällig wird dieser Beschleunigungsschub derzeit an der raschen Verbreitung der Streaming-Dienste im Bereich Musik und Film. Laut einer aktuellen Umfrage verdrängt das Streaming in Deutschland das Fernsehen. 

Von einer veränderten Mediennutzung berichtet auch avenir suisse. So würden die Grenzen bei der Mediennutzung zunehmend verfließen.

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