Für die illustrierte Zeitung hat die Lithographie ungefähr dieselbe Bedeutung wie die Schnellpresse für den Textteil. Ihr Erfinder Aloys Senefelder hatte zunächst nur an die bequemere Vervielfältigung von Manuskripten gedacht und das hierauf zielende neue Verfahren in seinem 1818 erschienenen “Vollständigen Lehrbuch der Steindruckerei” veröffentlicht. Andere exploitierten erst seine Idee zur Technik und Steinzeichnung. Sie ermöglichte eine Schnelligkeit der Aufzeichnung, die fast der des Wortes gleichkam, und hatte daher von Anfang an etwas Improvisiertes, Hingeschriebenes, Dialogisches, Literarisches und zugleich vermöge ihrer Aktualität und Billigkeit etwas Demokratisches, sie war eine Journalistik der Zeichenfeder und drückte den raschen, pointierten materialistischen Geist ihrer Zeit ebenso vollkommen aus wie der Holzschnitt den Geist der Reformation und der Kupferstich den Geist des Rokokos; und es hat eine symbolische Bedeutung, dass der Holzschnitt, der die Wünsche und Gedanken eines erwachenden, emporstrebenden Zeitalters in alle Welt trug, ein Hochdruckverfahren war, der Kupferstich, der die Gefühle einer absterbenden, in sich versenkten Epoche gestaltete ein Tiefdruckverfahren, die Lithographie aber ein Flachdruck.

Quelle: Kulturgeschichte der Neuzeit, Band 2

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