Von Ralf Keuper

Lange bevor Begriffe wie das Internet der Dinge oder connected devices in der öffentlichen Wahrnehmung auftauchten, widmete der französische Technik- und Medienphilosoph Gilbert Simondon dem Eigenleben technischer Artefakte ein Buch mit dem Titel Die Existenzweise technischer Objekte.

Simondon unterscheidet zwischen konkreten technischen Objekte und abstrakten technischen Objekten:

… das konkrete technische Objekt ist dasjenige, das nicht mehr mit sich selbst kämpft, jenes, in dem keinerlei Sekundäreffekt der Funktionsweise des Ensembles schadet oder außerhalb dieser Funktionsweise verbleibt. Auf diese Weise und aus diesem Grund kann im konkret gewordenen Objekt eine Funktion durch mehrere synergetisch assoziierte Strukturen erfüllt werden, während im ursprünglichen und abstrakten technischen Objekt jede Struktur damit betraut ist, eine festgelegte Funktion zu erfüllen, und im Allgemeinen eine einzige.

Das konkrete technische Objekt ist demnach in der Lage, in vielfältige Austauschbeziehungen zur Umwelt zu treten. In gewisser Hinsicht repräsentiert das konkrete technische Objekt eine eigene Existenzform.

Wie eng die Beziehung der technischen Objekten zu ihrer Außenwelt ist, zeigt Simondon am Beispiel ihrer Interaktionen mit dem Menschen:

Der Mensch ist dazu in der Lage, die Relation zwischen dem Lebewesen, das er selbst ist, und der Maschine, die er herstellt, zu übernehmen; die technische Operation erfordert ein Leben, das technisch und natürlich ist. Das technische Leben besteht aber nicht darin, Maschinen zu lenken, sondern auf der gleichen Ebene wie diese als das Wesen zu existieren, das die Relation zwischen ihnen übernimmt, indem es gleichzeitig oder nacheinander an mehrere Maschinen gekoppelt werden kann.

Es ist bemerkenswert, dass die Gedanken in ähnlicher Form in der aktuellen Diskussion wieder auftauchen, wie in dem Beitrag When Objetcts Talk Back von frog design:

It is pretty clear that the role of objects is changing, and the way we interact with them is, too. We are still in control, but in a more cooperative and fluid way.

Die technischen Objekte fordern uns dazu auf, oder erfordern, dass wir mit ihnen kommunizieren. Ignorieren ist keine Option mehr. Neue Sprachen werden benötigt:

All of this will be mediated by language that cannot be always articulated as a voice and as pressing as a tweet. It will be communicated through levers, feedback, and scent — new languages to be found, designed, tested, and interpreted.
Actions will have to be built based on strategies and logics not only predetermined, but evolving with information acquired, something close to a mental model to regulate behaviors and set expectations with people that an object is interacting with.

Wir werden in Zukunft den technischen Objekte eine Umgebung bieten müssen, die es ihnen ermöglicht, in regen Austausch mit uns zu treten:

We might find ourselves needing to define more Object-friendly environments for them to easily communicate and exchange information between each other’s and people ever regardless counteracting goals and misunderstanding cases.

Falls es sich so verhalten sollte, werden demnächst die technischen Objekte, seien es Autos, Softwareagenten oder Roboter lebhaften Anteil an der Kommunikation nehmen. Das wird nicht ohne Folgen für die Medien bleiben. Schon jetzt sind die Automobilhersteller ebenso wie die Hersteller von Werkzeugmaschinen und von Landmaschinen bemüht, den Fahrer, den Bediener mit Assistenzsystemen zu unterstützen. Bei den Automobilen kommt die Unterhaltung dazu, wie durch Infotainment-Systeme. Überhaupt sind die Forschungen im Bereich der Mobilität schon sehr weit fortgeschritten. Neben die In-Vehicle-Kommunikation tritt die Vehicle-to-Vehicle – Kommunikation.
Bereits vor einem Jahr bezeichnete Matthias Wissmann, Präsident des Verbands deutscher Automobilhersteller (VDA), Autos als mobile Kommunikationsplattform.

Die Informationen und Nachrichten fallen künftig an noch mehr Stellen an als bisher. Die Interpretation und Verarbeitung übernehmen Applikationen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz, wie sie derzeit vom Suchmaschinen-Konzernen wie Google, aber vor allem Baidu entwickelt werden. Die Verbreitung semantischer Technologien, wie das Semantische Internet wird diese Entwicklung beschleunigen.

In die Informationsdarstellung- und vermittlung werden sich im verstärkten Ausmaß technische Objekte, wie Softwareagenten, einschalten. Große Teile des medialen Contents werden von technischen Objekten produziert und weiterverarbeitet. Der Mensch übernimmt darin die Vermittlerrolle, sofern sie nötig ist.

Die Auswirkungen auf das Informationsverhalten und den Medienkonsum sind noch längst nicht abzusehen. Allerdings lässt sich mit einigem Recht die Behauptung aufstellen, dass sich die Rolle der Medien durch den Siegeszug technischer Objekte drastisch wandeln wird. Die Rollen bei der Herstellung fallen ebenso darunter wie die der Verteilung und Interpretation. Subjektive Meinungen, Stimmungen zu verbreiten wird schwerer fallen. Boulevard-Zeitungen und Nachrichtensender mit begrenztem Informationsgehalt werden diesen Wandel als erste zu spüren bekommen. Schon jetzt arbeiten Unternehmen an Lösungen, um Medieninhalte bewerten zu können, wie Nielsen und Adobe.

Das dürfte jedoch erst der Anfang sein.

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