Von Ralf Keuper

Der neue Kulturstaatssekretär, Tim Renner, gilt als vehementer Verfechter der Digitalisierung. Von daher überrascht es nicht, dass Renner dem Gedanken, Theater-Aufführungen live im Internet zu übertragen, einiges abgewinnen kann. Wie nicht anders zu erwarten, regt sich gegen den Vorschlag Widerstand. Das Theater verliere seine Seele, ist eines der häufigsten Argumente der Gegner. Die Raumerfahrung im Theater, das Klangerlebnis, der Hörgenuss sei so unverwechselbar, so die Einwände; das Internet könne davon bestenfalls eine Ahnung, einen leichten Hauch vermitteln.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, lud die Heinrich Böll-Stiftung dieser Tage mehrere Experten aus Internet und Schauspiel in Berlin ein, um an einem Experiment teilzunehmen, und im Anschluss die Eindrücke zu diskutieren. Übertragen wurde das Stück “Stadt der Angst” am Theater Dortmund. Mounia Meiborg schildert ihre Eindrücke in dem Artikel Beobachtungen zweiter Ordnung in der SZ vom 12. Dezember 2014. Ihr Urteil fällt ausgewogen aus. Weder ist sie geneigt, das Experiment und seine möglichen Folgen zu dämonisieren, noch tendiert sie zu einem blinden Fortschrittsoptimismus á la Digitalisierung ist per se gut.

Hervorzuheben ist folgende Bemerkung oder Beobachtung:

Interessant sind auch die Momente vor oder nach der Vorstellung. Man sieht Zuschauer im Foyer bei Einlass und wird, im Sinne Luhmanns, zu einem Beobachter zweiter Ordnung. Die Videobilder zeigen die Techniker hinter der Bühne, also die Herstellung des Abends.

Der “Meister”, sprich Luhmann, hätte wahrlich seine helle Freude an diesem – für uns jedenfalls – neuen Phänomen. Aber auch ein anderer namhafter Soziologe hätte uns zu dem Thema heute etwas zu sagen. Und zwar Erving Goffman, der in seinem wohl bekanntesten Werk Wir alle spielen Theater der Entwicklung – unbewusst – vorgegriffen hat.

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