Von Ralf Keuper
An kaum einer anderen Nation lässt sich die Bedeutung der Informationsübermittlung für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft so veranschaulichen wie an den USA. Das Buch A Nation Transformed by Information, deren Mitherausgeber der renommierte Wirtschaftshistoriker Alfred Chandler ist, spürt den verschiedenen Pfaden nach, auf denen die Informationsübermittlung entscheidend mit dazu beigetragen hat, große räumliche Distanzen zu überwinden und den Bewohnern das Gefühl zu geben, Teil einer einzigen Nation zu sein.
Startschuss war der Post Office Act aus dem Jahr 1792, in dessen Folge unter Benjamin Franklin auf Basis des königlichen Postsystems ein neues Postwesen mit entsprechender Infrastruktur errichtet wurde. Aufgabe der Post war es nicht nur Briefe zu transportieren, sondern auch Zeitungen. Bereits 1779 betrug der Anteil der Zeitungen an dem Transportgewicht 70 Prozent, während der Anteil an den Transporteinnahmen mit 3 Prozent verschwindend gering war. Um die landesweite Versorgung mit Zeitungen zu garantieren und den Informationsfluss nicht versiegen zu lassen, subventionierte der Kongress daher die Postgesellschaften.
Der nächste Schub setzte mit dem Bau der Eisenbahnstrecken ein. Bereits Mitte der 1840er Jahre wurden zwei Drittel des Versands von Briefen und Zeitungen mit der Bahn abgewickelt. Die auf die Erfindung von Samuel Morse zurückgehende Telegrafie diente in erster Linie der Koordination der Transporte. Erst mit dem Telefon wurde die Kommunikation privater und lokaler. Bis Ende der 1930er Jahre betrug der Anteil der Telefonate zwischen den Bundesstaaten lediglich zwei Prozent. Auch nach dem 2. Weltkrieg ersetzte die Informationsübermittlung mittels Bahn nicht das Telefon, sondern ergänzte es.
Insgesamt war das Land am Ende des 19. Jahrhunderts von einer Informations-Infrastruktur durchzogen, die ein optimaler Resonanzboden für das beginnende Industriezeitalter war:
By the end of the nineteenth century the information infrastructure for the Industrial Age was solidly in place. The railroads had consolidated their activities into a small number of large systems.
Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten IT-Unternehmen, wie das älteste IT-Unternehmen der Welt, National Cash Register (NCR), das auch heute noch aktiv und der weltweit führende Hersteller von Geldautomaten und Kassensystemen ist. Daneben beherrschten Unternehmen wie die Bell Company und AT&T das Geschäft mit der Telekommunikation. Es schlug die Stunde der ersten Großkonzerne. Diese waren für die Koordinierung ihrer vielfältigen Aktivitäten wie auch für ihre Buchführung auf Maschinen angewiesen, die für die Dokumentation und Verbreitung betrieblicher Informationen sorgten. Neben der bereits erwähnten NCR zählten Remington-Rand, Honeywell und Burroughs zu den ersten Herstellern von Schreib- bzw. Büromaschinen.
Als dann noch die großen Radiogesellschaften wie die Radio Corporation of America (RCA) und CBS in den 1920er Jahren die Medienindustrie begründeten, klopfte bereits das Informationszeitalter an die Tür. In etwa zur selben Zeit begann IBM seinen kometenhaften Aufstieg zum weltweit größten Hersteller von Büromaschinen und Computern. Bis zum Anfang der 1980er Jahre beherrschte IBM das Geschäft mit Computern bzw. Großrechnern. Der erste industriell hergestellte PC der Welt war der Commodore PET 2001, der 1977 vorgestellt wurde. Im Jahr 1981 brachte IBM seinen ersten PC auf den Markt. Im Gegensatz zu Apple, die bereits damals schon den proprietären Ansatz verfolgten, war der PC von IBM als offenes System konzipiert. Damit bot IBM jungen Unternehmen die Gelegenheit, von der Entwicklung hin zur dezentralen Informationsverarbeitung zu profitieren, wie später dann das Internet. Einer der größten Profiteure dieser Offenheit war übrigens Microsoft.
.. by making its PC an open system, IBM created an uprecedented opportunity for both existing and startup companies to enter this new market, an opportunity denied by Apple and other existing proprietary systems.
Ein anderer Hersteller, der einen betont proprietären Ansatz verfolgte, war die Digital Equipment Corporation (DEC). Anders als Apple ist DEC diese Philosophie nicht bekommen.
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Verbreitung des PC und der dezentralen Informationsverarbeitung waren leistungsfähige Halbleiter und Mikroprozessoren. Nachdem sie bei dem Pionier der Branche, Fairchild Semiconductor, für sich keine Perspektive mehr sahen, beschlossen George Moore, Robert Noyce und Andy Grove das Unternehmen zu verlassen und ihr eigenes zu gründen: Intel.
Bis heute dominiert Intel den weltweiten Markt für Mikroprozessoren.
Inzwischen stehen wir an einer neuen Schwelle des Informationszeitalters. Das Web 2.0 hat neue Geschäftsmodelle ermöglicht, die von unzähligen Startups an den Markt gebracht werden. Internetgiganten wie Google, Amazon, Alibaba und Paypal sind dabei ganze Branchen zu revolutionieren – vom Handel, über Bankgeschäfte bis hin zu Automobilen. IBM mischt noch immer kräftig mit, wie mit dem Supercomputer Watson. Seinen Schwerpunkt hat das Unternehmen in den letzen Jahren von der Hardware auf die Software und Beratung verlegt. Neben der Informationsübermittlung hat die Analyse der Informationsmengen großes Gewicht bekommen. Das Schlagwort hierfür heisst Big Data.
Crosspost von Econlittera