Von Ralf Keuper
In seinem aktuellen Beitrag auf dem Altpapierblog beschäftigt sich Frank Lübberding mit dem medienwirksamen Auftritt von Simon Unge auf YouTube, in dem dieser seinen Vertrag mit dem Multi Channel Network Mediakraft kündigt. 
Lübberding attestiert bei Unge und anderen medialen Gipfelstürmern eine schwach ausgeprägte Fähigkeit zur ökonomischen Analyse. Denn, würden sie über diese Gabe verfügen, so Lübberding sinngemäß, dann müsste ihnen aufgehen, dass für sie als Sub-Sub-Unternehmer in diesem Spiel nur Krümel übrig bleiben. Das große Geschäft macht der Infrastrukturanbieter, im Fall von YouTube also Google. Statt also irgendwelchen Blütenträumen hinterher zu jagen, sollten, so Lübberding in etwas alt-väterlichem Ton, Unge & Co. die Realität zur Kenntnis nehmen und den Weg in den gut-bürgerlichen Brotberuf wählen. 
Das mussten sich in der Vergangenheit, auch zu Lebzeiten von Lübberdings wie auch meiner Oma viele angehende Kreative oder Künstler anhören. Nur Flausen! Siehst du denn nicht, dass andere das große Geschäft machen – die Verleger zum Beispiel, die Galeristen, die Agenten?
Wie man es auch dreht und wendet: Irgendeine Abhängigkeit besteht (fast) immer. Die Infrastruktur, die Vertriebskanäle beherrschen für gewöhnlich immer nur wenige. Das ist nicht neu. Auch Google ist hier keine Ausnahme. Denken wir nur an die Tankstellen, die Franchise-Unternehmen in der Gastronomie – im Prinzip dasselbe Schema. Massenmärkte befinden sich meistens in den Händen weniger Anbieter. 
Die Multichannel Networks haben hier so etwas wie eine Zwischenfunktion. In gewisser Weise sind sie Subunternehmer von YouTube und den anderen großen Video-Plattformen. Sie beschäftigen dann ihrerseits Subunternehmer, die für ordentlich Traffic sorgen, wie eben Unge, der als wirtschaftlich Selbständiger agiert und damit bisher – nach eigener Aussage – nicht schlecht verdient hat.
Auf Basel Online zeichnet der Beitrag Die Vormacher ein etwas anderes Bild der sog. YouTuber. Die Zahl der erfolgreichen, professionellen YouTuber steige in letzter Zeit, so der Artikel, weshalb YouTube die erfolgreichsten Selbstinszenierer mit 55% an den Werbeeinnahmen beteiligt. YouTuber mit mehr als 5.000 Abonnenten sollen sogar professionelle Hilfe in den firmeneigenen Studios in Los Angeles, London und Tokio bekommen. Weitere Lokationen sollen demnächst folgen. 
Sicher – das soll man jetzt nicht überbewerten. Allerdings stört sich Unge, sofern ich ihn richtig verstanden habe, daran, dass Mediakraft als Vermittler nicht den Effekt bringt, den er sich davon erhofft hat. Da stellt sich irgendwann schon die rein betriebswirtschaftliche Frage: Brauche ich den eigentlich noch, oder kann ich es nicht besser alleine oder mit einem anderen?
Ob sich damit die Spielregeln außer Kraft setzen lassen, von denen Lübberding spricht, ist damit nicht gesagt. Nur – welche Regeln sollen es denn sein? 
Keine Frage: Die Gefahr der Selbstausbeutung ist im Netz so groß, wie wohl nirgend sonst. Die eigentlichen Profiteure sind andere. Auch das ist aber kein neues Phänomen und nicht erst durch den Neoliberalismus in die Welt gekommen. Auch im Sozialismus werden die entscheidenden Stellen und Kanäle von bestimmten Gruppen dominiert. An ihnen führt oft kein Weg vorbei. 
Für eine Glorifizierung des Unternehmer- oder Berufsstandes des YouTubers besteht zwar kein Anlass. Genauso wenig allerdings für eine voreilige Etikettierung. 
Mit den herkömmlichen ökonomischen Instrumentarien und Begriffen alleine kommen wir diesem Phänomen m.E. nicht bei, ohne gleich in Stereotype abzugleiten. 
Die Abhängigkeit ist ja nicht nur einseitiger Natur – auch YouTube und die MCNs sind von den Selbstinszenierern abhängig. Vielleicht sollten letztere sich überlegen, ob es nicht Sinn ergibt, ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. 
Irgendeine Form der Organisation wird nötig sein, um gegen die Großen seine legitimen Ansprüche geltend zu machen. Anderenfalls hätten wir es tatsächlich irgendwann nur noch mit plattem Neoliberalismus zu tun. 

Weitere Informationen:

Youtube-Stars ApeCrime verlassen Mediakraft

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