Wenn mit kulturwissenschaftlichem Instrumentarium nach der Publikationspolitik eines einzelnen Autors, nach der Diffusion von Wissensbeständen in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen oder nach konkreten Rezeptionsvorgängen gefragt wird, spielen die Originale eine zentrale Rolle. Je nach Fragestellung kann es dann auch darauf ankommen, die Farbnuancen der kolorierten Kupferstiche, die haptische Qualität des Papiers oder die Gestaltung des Einbands zum Text in Beziehung zu setzen. Die Verbindung von Gehalt und Materialität führt zu dem komplexen Befund des kulturhistorischen Augenblicks, in dem das Werk entstand.

In den Kultur- und Geisteswissenschaften wird heute nicht mehr so „textualistisch“ gearbeitet wie noch vor zwanzig Jahren. Texte werden nicht mehr als isolierte Einheiten betrachtet, die immanent zu verstehen wären. Auch die Dinge, mit denen Texte verbunden sind, werden in die Betrachtung einbezogen. Auf verschiedenen Ebenen ist man dabei, Materialitäten zu entdecken. Wer darüber forscht, muss Zugang zum unerschöpflichen Erkenntnispotential des Originals haben. Er kann sich nicht mit einem Digitalisat als entmaterialisiertem Abbild zufriedengeben.

Quelle: Rettung von Bücherschätzen: In guter Ordnung, aber schlechter Verfassung

 

Von McLuhan

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