Von Ralf Keuper

In seinem Beitrag Der totale Journalismus schildert Gert Even Ungar die Folgen der zunehmenden Ökonomisierung des Journalismus, die seiner Meinung nach zu einer Verflachung bzw. zu einem platten PR-Journalismus geführt habe. In den Redaktionsstuben, die gerne auf die mangelnde Reformwilligkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen hinweisen, herrsche eigentlich nur noch reine Existenzsicherung:

Die Protagonisten sind verdammt dazu, zunächst ihr eigenes wirtschaftliches Fortkommen im Blick zu haben. Das gilt sowohl für den einzelnen Redakteur und Journalisten, als auch für die Medienkonzerne als Ganzes. Doch dadurch kann der deutsche Journalismus seinen Anspruch ein aufklärerisches Regulativ in einer demokratischen Gesellschaft zu sein, nicht mehr erfüllen. Er verliert notwendig jede Vielfalt und die Fähigkeit zu substantieller Kritik.

Kurzum: Substanzielle Kritik kann man sich als Journalist und Medienhaus nicht mehr leisten.

Jetzt sind Medienhäuser nun mal auch Wirtschaftsunternehmen, von denen viele wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Ehemals erste Adressen, wie die SZ, sind zum Sanierungsfall geworden. Verleger, wie ein Gerd Bucerius oder Rudolf Augstein, die neben einem intellektuellen auch ein hohes finanzielles Stehvermögen hatten, sind rar geworden. Es gibt sie eigentlich nicht mehr. In den Verlagshäusern geben inzwischen die Manager und Controller den Ton an.

Jetzt sind die Marktbedingungen für die Zeitungsverlage und öffentlich-rechtlichen Medien andere, rauere geworden. Das Geschäft so wie früher zu betreiben, funktioniert nicht mehr, ein neues Geschäftsmodell, das ähnlich profitabel ist wie das alte, ist nicht in Sicht. Allerdings ist es schon bemerkenswert, dass der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk Methoden anwendet, die man hier so nicht vermuten würde. Insofern stellt sich einmal mehr die Frage, ob wir überhaupt noch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen.

Auf der anderen Seite sind Stimmen zu vernehmen, welche die fortschreitende Ökonomisierung im Journalismus ausdrücklich begrüßen, wie der lt. Basler Zeitung “wichtigste Medienkritiker der Schweiz”, Kurt W. Zimmermann.

In einem Interview mit der Basler Zeitung begründet Zimmermann seine Haltung. Auf die Frage, wie er den Tagesanzeiger finde, der einige Sparrunden hinter sich hat, antwortet Zimmermann:

Ich glaube nicht, dass viel gespart wurde beim «Tagi». Die Redaktion hat immer noch etwa 200 Festangestellte – zu meiner Zeit vor 15 Jahren war das vergleichbar. Der einzige Unterschied ist: Damals waren 50 faule Nüsse darunter, heute hat es fast keine faulen Nüsse mehr.

Weiterhin gibt Zimmermann Auskunft darüber, weshalb Medienunternehmen sich an betriebswirtschaftlichen Kriterien zu richten haben:

Ist es wichtiger, dass das Unternehmen überlebt oder dass eine Produktionslinie, also die Zeitung überlebt? Das ist die Grundfrage – und ich glaube, es ist viel wichtiger, dass das Unternehmen überlebt. IBM begann als Hersteller von Lochkarten. Ich glaube nicht, dass IBM mit der Fokussierung auf Lochkarten überlebt hätte. NZZ und Tamedia begannen als Zeitungshersteller – aber ich glaube nicht, dass sie als Zeitungshersteller überleben werden. Sie müssen in neue Geschäftsfelder investieren, und hier ist Tamedia deutlich weiter als die NZZ-Gruppe.

Frohlockend verkündet Zimmermann, weshalb er der Ansicht ist, dass die Verlagshäuser auf die Siegerstraße zurückgefunden haben:

Die grossen Internetportale gehören wieder den Verlagshäusern: homegate, jobs.ch, die Scout-Gruppe. Die Medienhäuser haben zurückgefunden zu ihrer alten ökonomischen Stärke, nur ist diese Stärke heute digital.

Scheinbar hat der “wichtigste Medienkritiker der Schweiz” noch nichts von facebook, YouTube und anderen großen sozialen Netzwerken gehört 😉

Weiteres Beispiel für seinen ungebrochenen Optimismus:

Unser Geschäft war nie ein romantisches Business. Nie verdienten Zeitungen allein mit Journalismus Geld. Die Zeitung per se, ohne Werbung, rentierte nie – ausser in den Fünf­zigerjahren in den USA, wo die Auf­lagen riesig waren. Vorher und nachher waren Zeitungen nur mit kommerziellen Zusatzeinnahmen zu finanzieren. Das Schöne ist ja: Das funktioniert heute wieder. Deshalb bin ich auch ziemlich optimistisch.

An dem Hinweis mit der Romantik und den Zusatzeinnahmen ist was daran. Die Aussage, dass das alte Geschäftsmodell in digitalisierter Form wieder funktioniere, gehört jedoch tatsächlich in die Rubrik Fabel oder Romantische Erzählung.

Auch sonst hat man bei der Lektüre des Interviews den Eindruck, als würde sich Zimmermann in einem Paralleluniversum bewegen. Allerdings räumt selbst Zimmermann ein, dass es derzeit zu viel Konformismus im Journalismus gebe. Längst nicht alle Kritiker der Medien, so Zimmermann, seien verblendet. Sicherlich ein Medienkritiker, der zu polarisieren versteht und ein ausgewiesener Kenner des Medienmarktes in der Schweiz. Mehr aber auch nicht.

Wie auch immer. Die Fragen der Ökonomisierung des Journalismus und seine Konsequenzen werden die Kritiker auch weiterhin beschäftigen.

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