In Europa sieht man als Zeitpunkt der Erfindung des Buchdrucks die Erfindung der Typografie an, also des Satzes mit beweglichen Lettern. Der Holzschnitt bzw. Blockdruck gilt als eine vergleichsweise unbedeutende Vorstufe. Im Fernen Osten hingegen hält man die Erfindung des Blockdrucks für die entscheidende Zäsur in der Geschichte des Buchdrucks. Die beweglichen Lettern werden als eine eher unwichtige spätere Ergänzung angesehen. Solche Unterschiede der Beurteilung basieren auf Unterschieden im Charakter der Schriftkultur, aus deren Perspektive eine Bewertung erfolgt. Die Schrift europäischer Sprachen hat das Alphabet mit seinen zwei bis drei Dutzend Buchstaben als Lautzeichen zur Grundlage. In diesem Kontext ist die Erfindung der Typografie der entscheidende Schritt. Die ideografischen Schriften des Fernen Ostens hingegen basieren – anders als die alphabetischen – auf einer Vielzahl von Symbolen, im Falle der chinesischen etwa vierzigtausend. Vor der Setzverfahren des 20. Jahrhunderts konnte für sie der Druck mit beweglichen Lettern weder technisch praktisch noch wirtschaftlich rentabel sein.
Quelle: Michael Mitterauer. Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderweges