Die Skandale (Flick, Neue Heimat, Coop, Barschel), die das Blatt enthüllte, sind Legende. In seinem Gefolge zählten Stern und Zeit zur “Hamburger Kampfpresse”. Aber da war auch noch Bonn der Regierungssitz der Republik. Spätestens mit dem Wechsel des Kanzleramts nach Berlin aber waren an der Spitze des politischen Journalismus Klimaveränderungen spürbar, ja, es kam zu Erwärmungen, die schadvoll sind. …

Sicher, die Rahmenbedingungen des politischen Lebens haben sich geändert. Mit der Zahl der Medien (Fernsehen, Radio, Online) stieg die Zahl der Journalisten, die an den Wegstrecken zwischen Ministerien, Kanzleramt und Parlament irgendwelche News ergatttern wollen. Bei jedem hingehaltenen Mikrofon findet sich jemand, der ein paar gewünschte Sätze sagt, die schnell zur Agenturnachricht durchgereicht werden, die wiederum sofort dementiert wird. Un alle haben zu schreiben und zu senden. Auch haben Gruppen von PR-Experten eine ganz neue Bedeutung erlangt, die Informationen zielgenau in Kanäle einspeisen. So entstehen Tagesthemen und Kampagnen nach Maß und Parteien.

Augsteins Vermächtnis war, sich solchem Stimmungsjournalismus zu verweigern; nicht auf die pawlowschen Reflexe der Publizistik zu achten, sondern sich eigenständig eine Meinung zu bilden; unbequem zu sein, und sei es am Katzentisch – nicht aber bei Hofe an Königs Seite mitzusäuseln. …

Mitspieler treten heute auf, wo Altvordere wie Augstein sich noch als Gegenspieler begriffen. Was Kritikern immer wieder auffällt, ist zudem das offensichtliche Zusammenspiel von Medien wie SPIEGEL, Frankfurter Allgemeine und Bild – Medien also, die früher zueinander Distanz hielten. Da gab es noch Linksliberale und Rechtskonservative. Heute pflegen die Chefredakteure den kooperativen Stil. “Sie verabscheuen sich wie die Pest, aber sie schützen sich wie Chefärzte”, schrieb die taz jüngst zum 60. SPIEGEL-Jubiläum.

Quelle: Es war einmal ein Spiegel, Süddeutsche Zeitung vom 9.01.2007, Autor: Hans-Jürgen Jakobs

Von McLuhan