Von Ralf Keuper

Es fällt schwer, in der Ablösung der Schrift durch Bilder in der Kommunikation zwischen Menschen einen Fortschritt zu erkennen, waren es doch, jedenfalls nach Ansicht zahlreicher Anthropologen, Hirnforscher und Linguisten, die Sprache und die Schrift, die der kulturellen Evolution den entscheidenden Schub gaben. Davor sorgten Bilder für die Kommunikation zwischen den ersten Menschen. Einige Naturvölker haben sehr lange, teilweise sogar bis heute, an dieser Kommunikationsform festgehalten. Zeugnis davon geben u.a. die Höhlenmalereien von Lascaux.

Und nun sollen GIFs, Videos, Emojs & Co. die zwischenmenschliche Kommunikation auf neue Höhen führen, wie Jakob Steinschaden in Emoticons, Memes und GIFs: Wie Bilder langsam die Schrift ablösen skizziert?

Das Schreiben mit der Hand ein Relikt aus der Vorzeit, eine Evolutionsstufe, die es zu überwinden gilt, um sich mittels Bildern und Gesten zu verständigen, was Dank der Möglichkeiten des Internet ebenso wie der Künstlichen Intelligenz kein Problem mehr ist. Weg mit dem Ballast!

Dass das Schreiben auch eine Kulturtechnik ist, darauf wird künftig kaum noch Wert gelegt, da es ohnehin die effiziente Nachrichtenübermittlung behindert. Schließlich sagt ein Bild mehr als tausend Worte! Das betrifft aber vor allem auch die Metapher – und die kommt ohne Schrift nicht aus. Auch die Bibel ist voll von bildhaften Ausdrücken bzw. Beschreibungen. Ganze Zweige der Tiefenpsychologie beschäftigen sich mit der Bedeutung von Bildern, wie in Märchen. Die Traumdeutung versucht die Botschaft der Träume in Sprache zu übersetzen.

Es scheint also, als würden wir uns, wenn wir wieder mit Bildern kommunizieren, auf eine prälogische Entwicklungsstufe, in die Zeit der Bikameralen Psyche zurückbegeben. Es gehört viel Phantasie bzw. Vorstellungskraft dazu, darin einen Fortschritt zu erkennen.

Bei der Kommunikation auf Bilder zurückzugreifen, ergibt überall dort Sinn, wo es darum geht, komplexe Sachverhalte, wie z.B. Datenreihen, darzustellen – wie im Bereich der Informationsvisualisierung. Edward Tufte hat hier wegweisende Forschungen betrieben. Aber auch Tufte legt großen Wert auf die Erzählung, den begleitenden Text, der die bildhafte Darstellung erst begreiflich macht. Denn: Kaum ein Medium eignet sich besser für manipulative Zwecke als ein Bild. Das wusste nicht nur Leni Riefenstahl.

Wir werden die Schrift auch künftig dringend benötigen – zur Kommunikation, zur Reflexion und Selbstkorrektur.

Ein Gedanke zu „Lösen Bilder demnächst die Schrift ab?“

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