Von Ralf Keuper

Der Fall Wirecard wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf die hiesige Bankenaufsicht, sondern stellt auch den Medien hierzulande ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus.

Ein Urteil:

German media, which missed the warning signs of the 2008 financial crisis, again did not sufficiently question the Wirecard business model((Wirecard: How signs of serious trouble were ignored)).

Womöglich spielt der Autor dabei auf die Studie Wirtschaftsjournalismus in der Krise. Zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik an, die im Jahr 2010 von der Otto Brenner Stiftung veröffentlicht wurde.

Ein Resümee daraus:

Die untersuchten tagesaktuellen Massenmedien haben über Jahre hinweg die Entwicklung der Finanzmärkte und die Finanzmarktpolitik sowie das umfangreiche kompetente und prominente kritische Wissen darüber ignoriert. Obwohl ihnen bewusst war, dass die Krise spätestens mit den EZB-Interventionen im August 2007 gegeben war, berichteten sie zwar darüber, verblieben jedoch weitgehend in ihren Routinen. Sie wurden damit ihrer Rolle als Frühwarnsystem der Gesellschaft nicht gerecht. Erst mit dem “offiziellen”, faktisch von Politik und Wirtschaftseliten ausgerufenen Beginn der Krise im September 2008 setzte auch in den Massenmedien eine der Situation angemessenere Berichterstattung ein((Zusammenfassung der Studie)).

Zu einer Zeit, als die Kritik an dem Geschäftsmodell und der Bilanzierungspolitik von Wirecard in den englischsprachigen Medien schon längst verbreitet war((Wie ein Blogger bereits 2008 den Skandal bei Wirecard aufzeigte)), verfassten die Medien in Deutschland schmeichelhafte Portraits im Homestory-Format((Beispielhaft dafür sind Ein stiller Eroberer von Nils Wischmeyer und einige Beiträge von Ursula Schwarzer im manager magazin, wie Aus dem Nichts zum Milliardär)). Ende 2018 kürte das Handelsblatt Wirecard zum Aufsteiger des Jahres((Wirecard-Chef Markus Braun – Ein Hauch von Silicon Valley)). Nur wenige Monate später, im Januar 2019, trübte ein Beitrag der Financial Times, in welchem der Autor auf mögliche Scheingeschäfte in Singapur hinwies((Wirecard and the missing €1.9bn: my story (German subtitles))), die allgemeine Feierlaune. Statt der Kritik nachzugehen, verfiel man in den Redaktionen, wie schon zu Beginn der Finanzkrise, in Routine. Ohne die Hartnäckigkeit der FT und hier namentlich der des Journalisten David McCrum, wäre es wohl kaum zu einer Sonderprüfung durch KPMG gekommen. Die Deutsche Bankenaufsicht BaFin dagegen erstattete gegen David McCrum eine Anzeige wegen des Verdachts auf Marktmanipulation((Eine Besonderheit in Deutschland ist es, den Überbringer einer schlechten Nachricht “zu erschießen” und die Reihen fest geschlossen zu halten: Wirecard and Germany Both Shot the Messenger & Wirecard affair shows up German tendency to close ranks )). Für die Prüfung der Hinweise eines Whistleblowers brauchte die BaFin mehr als ein Jahr((Whistleblower schickte der Bafin schon Anfang 2019 Material zu Wirecard)). Ihre Rolle sah die BaFin vor allem darin, den deutschen Finanzmarkt vor den Umtrieben angelsächsischer Spekulanten und Hedge-Fonds zu schützen.

Der ehemalige Handelsblatt-Chefredakteur, Bernd Ziesemer, erkennt in dem Verhalten der BaFin ein vertrautes Muster:

In BaFin’s early days, there was a practice whereby selected information was given to chosen journalists when the institution sought to present itself as heroic fighter against evil financiers or foreigners intriguing against Germany’s financial great and good. The ghost of this practice lingers in BaFin corridors and too many local journalists still take as truth what they hear there((Why was Frankfurt so blind for so long about Wirecard?)).

Für die Financial Times ist die Wirecard-Pleite ein später, aber großer Triumpf, für die hiesigen Medien dagegen einmal mehr ein Beleg für die doch recht eingeschränkte Sicht und den ausgeprägten Herdentrieb der Zunft((Besonders stark war der Herdentrieb bei den verschiedenen Online-Portalen mit den Schwerpunkten Startups und Fintech ausgeprägt, wie bei t3n, Gründerszene, Financeforward und Payment and Banking)).

Damit bestätigt sich einmal mehr, dass, wer an einen objektiven Informationsstand interessiert ist und gerne frühzeitig auf Fehlentwicklungen in Deutschland hingewiesen werden will, einen Blick in renommierte englischsprachige Medien werfen sollte.

Von McLuhan