Von Ralf Keuper

Clemens Fürst von Metternich gilt noch immer als Sinnbild eines reaktionäres Staatsmannes. Diesen Eindruck versucht Wolfram Siemann in seiner voluminösen Biografie Metternich. Stratege und Visionär zu korrigieren. Siemann zeigt, dass Metternich keineswegs nur von restaurativen Absichten geleitet war, die darauf abzielten, den alten Zustand vor der Französischen Revolution wiederherzustellen. Metternich war sich vollauf bewusst, dass die Revolution, und in besonderer Weise das Erscheinen Napoleons auf der Weltbühne, eine Rückkehr zum alten Status Quo unmöglich machten. Der Schwerpunkt seiner diplomatischen Bemühungen als Außenminister der Habsburger Monarchie lag darauf, Österreich so weit wie möglich aus der (tödlichen) Umklammerung Frankreichs zu befreien, ohne dabei den Zorn Napoleons auf sich zu ziehen. Die Innenpolitik musste demnach auf die Außenpolitik abgestimmt werden. Als einer der Ersten erkannte Metternich die Bedeutung der Massenmedien,  um die „öffentliche Meinung“ auf den Regierungskurs einzustimmen. Dabei sprach er bereits von dem „Zeitalter der Worte“.

Siemann hält fest:

Metternich, hier ganz modern, begreift die Presse als ein fortschrittliches Massenmedium; als einer der ganz wenigen Politiker seiner Zeit erfasst er, dass sich in seiner Gegenwart – er spricht vom „Zeitalter der Worte“! – ein medialer Wandel ereignet, welcher „die Gesellschaft“ von Grund auf zu verändern helfe, weil die Presse zu einer gesellschaftlichen Macht werde. Geradezu prophetisch verkündet er:“Die öffentliche Meinung ist eines der mächtigsten Mittel, ein Mittel, das – wie die Religion – die verborgenen Winkel durchdringt, wo die Maßnahmen der Verwaltung ihren Einfluss verlieren; die öffentliche Meinung zu mißachten ist ebenso gefährlich, wie die moralischen Prinzipien zu mißachten; .. sie verlangt eine besondere Verehrung, Konsequenz und eine nicht erlahmende Ausdauer. Die Nachwelt wird kaum glauben, dass wir das Schweigen als wirksame Waffe betrachtet haben, um den Schreiern auf der Gegenseite zu widerstehen, und das im Jahrhundert der Worte“

Zwar verfügte die österreichische Regierung mit der „Wiener Zeitung“ bereits über ein offizielles Mitteilungsorgan, jedoch fehlte es dieser an der nötigen Unbefangenheit, um auf alle Neuigkeiten, massenmedial angemessen, reagieren zu können:

Weil die „Wiener Zeitung“ als Regierungsblatt nicht unbefangen geschrieben werden könne, fehle die Resonanz. Man benötige deshalb „eine dem Anschein nach von offiziellem Einflusse getrennte periodische Schrift“. Metternich konzentrierte sich fortan systematisch darauf, ein „literarisches Büro“ einzurichten und von dort aus die Presse zu manipulieren. Seit er das Sagen hatte, suchte er, namhafte Intellektuelle in seinen Bannkreis zu ziehen und für die österreichische Politik schreiben zu lassen: in Leipzig Adam Müller, in Prag 1813 Friedrich Gentz und in Wien Friedrich von Schlegel.

Über das „Literarische Büro“ heisst es später:

Das Büro nahm .. im April 1810 seine Arbeit auf. Es etablierte sich mit eigener Bibliothek, abonnierte laufende „Journale und gelehrte Zeitungen“, politische Blätter und Wochenschriften des In- und Auslands und verfügte über einen eigenen Etat und besonderes Personal. In „Geschäftsjournalen“ lieferte es Tag für Tag eine Art Presseschau zu Artikeln des In- und Auslands, versehen mit warnenden, hervorhebenden oder wertenden Anmerkungen.

Von McLuhan

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