Von Ralf Keuper

In seinem Beitrag Wie Medien sich ändern greift Hubert Burda den Begriff der Infosphäre auf, um den durch die fortschreitende Digitalisierung ausgelösten Wandel deutlich zu machen, der in den letzten zwanzig Jahren unseren Bezug zur Realität verändert hat:

Aus Informationssicht ist die Infosphäre ein Synonym für die Realität: Alles, was existent ist, ist Information, und alles, was informativ ist, ist auch existent. Denn die Infosphäre ist kein virtueller Raum, der sich von der realen Welt unterscheidet.

Mit dieser Sicht ist er nicht weit von der These entfernt, die Thomas und Brigitte Görnitz vor einigen Jahren in Der kreative Kosmos. Geist und Materie aus Information entwarfen. In einer späteren Ausgabe wurde der Untertitel in Geist und Materie aus Quanteninformation geändert.

Erst vor wenigen Tagen formulierte Tom Goodwin die steile These:

In the same way modern consumers don’t go online, they just exist in a world with the internet everywhere, they don’t watch digital or non-digital media either.

Da stellt sich die Frage: Müssen wir uns bei der Gelegenheit auch von der Vorstellung des Öffentlichen Raumes oder der Öffentlichkeit verabschieden?

Das wäre voreilig, wie Robert Kaltenbrunner in Die Architektur der Information am Beispiel der öffentlichen Bibliotheken zu zeigen versucht.

Darin schreibt er u.a.:

Der öffentliche Raum ist nach wie vor eine Bühne, auf der gesellschaftliche Konflikte artikuliert und vorgetragen werden. Plätze, Fußgängerzonen, Straßen und Parks sind Orte personaler Selbstdarstellung und Inszenierung. Das Zurschaustellen von Luxus und Extravaganz gehört genauso dazu wie das Bekenntnis zu einer vom Mainstream abweichenden Lebensweise, ob als Skinhead oder Hippie. Im öffentlichen Raum befriedigt man nach wie vor das Bedürfnis, zu sehen und gesehen zu werden. Und vor allem: Der öffentliche Raum ist Ort gesellschaftlicher Teilhabe.

Ist der (reale) öffentliche Raum vielleicht noch der einzig verbleibende Ort, um, wie Richard Sennett es einmal nannte, der Tyrannei der Intimität zu entkommen?

Kann das Netz der fortschreitenden Aufspaltung in Teilöffentlichkeiten ein Stück weit entgegenwirken? Gibt es demnächst virtuelle Räume, die die Funktion ihrer “realen” Vorgänger übernehmen können?

Das Bedürfnis der Menschen nach Zusammenschluss, nach Teilhabe bleibt laut Kaltenbrunner von der Virtualisierung weitgehend unbenommen:

Sie suchen bestimmte Räume auf, artikulieren in ihnen ihre (wie auch immer geartete) Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, prägen sie mit ihren Zeichen-, Symbol und Repräsentationssystem.

Der Mensch als symbolschaffendes Wesen im Sinne Ernst Cassirers wird sich demnach über kurz oder lang auch des Netzes als öffentlichen Raum bemächtigen. Noch aber stehen wir hier am Anfang.

Das Verlangen nach Transzendenz, von dem Burda in seinem Beitrag spricht, ist gleichfalls nicht von der Hand zu weisen. Ob das Netz diese Rolle ausfüllen kann bzw. soll?

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