Von Ralf Keuper

Dass es mittlerweile Berichte in die Medien schaffen, deren Faktenlage häufig äußerst dünn ist, ist kein neues Phänomen. Ein Pionier der Fake News war kein Geringerer als Theodor Fontane (Vgl. dazu: Fontane: Ein Pionier der Fake News). Nur haben wir mittlerweile ein neues Niveau erreicht, dessen Vorläufer zu Beginn des Internetzeitalters beobachtet werden konnten. Im Jahr 1998 wurden die Reportagen aus der Welt der großen Politik des zu dem Zeitpunkt als journalistisches Wunderkind gehandelten Stephen Glass als Fiktion enttarnt. In Rechecking a Writer’s Facts, A Magazine Uncovers Fiction schrieb Robin Pogrebin:

As Mr. Glass’s offenses have come to light, the promising young journalist — a former fact-checker himself — has emerged as an enigmatic, effective illusionist, who succeeded in duping even the most experienced of editors. His systematic, apparently escalating fakery eluded three respected editors at The New Republic: Andrew Sullivan, Michael Kelly and Charles Lane.

The case has prompted soul-searching in the media about the effectiveness of fact-checking departments, whether ambitious young reporters need to be reined in and to what extent editors should second-guess their reporters’ accounts.

Übrigens: Noch im Jahr 2016 hätte es Stephen Glass beinahe geschafft, einen Beitrag auf Harpers zu lancieren, worüber in Stephen Glass is still retracting his fabricated stories — 18 years later berichtet wurde.

Zur selben Zeit wie Glass stürzte eine weitere Journalistin aus dem Olymp. Dabei handelte es sich um die Kolumnistin des Boston Globe, Patricia Smith, worüber ebenfalls Robin Pogrebin in Boston Columnist Is Ousted For Fabricated Articles berichtete:

Ms. Smith, who began her newspaper career as a typist at The Chicago Daily News, joined The Globe in 1990. She has been writing a column for the Metro/Region section since 1994. This year, she won an award from the American Society of Newspaper Editors for a series of columns published in 1997. She was also nominated for a Pulitzer Prize for commentary last year. A poet, she has been widely recognized in the Boston arts community for her public readings.

Mittlerweile ist Frau Smith eine erfolgreiche Schriftstellerin, wie in Fallen Journalist Finds Solace and Success in Poetry zu erfahren ist.

Kurz darauf wurde bekannt, dass Mike Gallagher, Reporter des Cinncinnatti Enquirer, sich in das Voice-Mail-System der Firma Chiquita Bananen eingehackt haben soll (Vgl. dazu: Questions Remain After Paper’s Apology on Stolen Voice Mail).

Ein noch größerer Skandal ereignete sich im selben Jahr, als CNN und Time eine gemeinsame Reportage zurückziehen mussten, in der behauptet wurde, die US-Truppen hätten im Vietnam-Krieg das Nervengas Sarin eingesetzt (Vgl. dazu: CNN retracts Tailwind coverage & Operation Tailwind).

Die Frankfurter Rundschau griff die Ereignisse in dem Beitrag Halbwahrheiten und Gerüchte – aber exklusiv! vom 9.07.1998 auf.

Als Ursache für die nachlassende Sorgfalt während der Recherchen wurde bereits damals das Internet ausgemacht:

Das Internet ist ein Medium, in dem die Grundregeln von Sorgfalt nicht gelten und über das jeder beliebige Falschinformationen streuen kann. Dennoch surfen inzwischen alle großen Zeitungsredaktionen täglich durchs Internet, um nur ja keine Story zu verpassen. Dabei wächst die Neigung, halb oder gar nicht Geprüftes zu bringen – nach dem Motto, dass es ja eh schon öffentlich ist.  ..

Doch die Tatsache bleibt, dass .. der enorme Konkurrenzdruck und der 24-Stunden-Zyklus von Nachrichten eine Inflation an Nachrichten produziert, weil immer mehr Reporter “hinter den wenigen wirklichen Geschichten herjagen”. Wie jede Währung verlieren Nachrichten durch inflationären Gebrauch ihre beiden Gundpfeiler: Wert und Zuverlässigkeit.

Von McLuhan

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