Die revolutionärste unter den durch das Alphabet bedingten Neuerungen ist jedoch eine, die auf den ersten Blick als eminenter Nachteil erscheint: Die Literalität erzwingt das Auseinandertreten von Wissendem und Gewusstem. Für den Menschen, der lesen und schreiben kann, existiert die Realität draußen, außerhalb seiner, eine Armlänge von ihm entfernt von ihm. Ihrer wieder habhaft zu werden kann er ironischerweise nur mit Hilfe derselben Sache, die den Abstand überhaupt erst hervorgebracht hat: mit Hilfe der Sprache – durch Beschreiben von Analysieren, Definieren und Kategorisieren. In jenem toten Raum zwischen Subjekt und Objekt, Leser und Text kommen wie durch ein Wunder die kritische Analyse und das Selbstbewusstsein zur Welt. Genährt und gekräftigt durch den Umstand, dass Sätze viele Male gelesen – von einem Menschen in Zurückgezogenheit stumm auf ihren Gehalt hin durchforscht – werden können, bildet sich nach und nach jene Aktivität heran, die wir als reflexives, kritisches Denken bezeichnen.

Quelle: Barry Sanders: Der Verlust der Sprachkultur

Von McLuhan

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