Was wir real nennen und auch so wahrnehmen und erleben, sind jene Stellen, jene Krümmungen oder Ausbuchtungen, in denen die Partikel dicht gestreut sind und sich die Potentialitäten realisieren. Das ist das digitale Weltbild, wie es uns von den Wissenschaften vorgeschlagen wird. Damit haben wir von jetzt an zu leben, auch wenn es uns nicht in den Kram passen sollte.

Uns wird dadurch nicht nur eine neue Ontologie, sondern auch eine neue Anthropologie aufgezwungen. Wir haben uns selbst – unser “Selbst” – als eine derartige “digitale Streuung”, als eine Verwirklichung von Möglichkeiten dank dichter Streuungen zu begreifen. Wir müssen uns als Krümmungen oder Ausbuchtungen im Feld ineinander kreuzender, vor allem zwischenmenschlicher Relationen verstehen. Auch wir sind “digitale Computationen” aus schwirrenden Punktemöglichkeiten. ..

Es genügt nicht, wenn wir einsehen, dass unser “Selbst” ein Knotenpunkt einander kreuzender Virtualitäten ist, ein im Meer des Unbewussten schwimmender Eisberg oder ein über Nervensynapsen springendes Kontinuum, wir müssen auch danach handeln.

Quelle: Vilém Flusser: Medienkultur

Im Vergleich dazu einige Gedanken von George Herbert Mead, einem der Hauptvertreter des Symbolischen Interaktionismus:

Die Identität, die für sich selbst Objekt werden kann, ist im Grunde eine gesellschaftliche Struktur und erwächst aus der gesellschaftlichen Erfahrung. Wenn sich eine Identität einmal entwickelt hat, schafft sie sich gewissermaßen selbst ihre gesellschaftlichen Erfahrungen. .. Der gesellschaftliche Prozess selbst ist für das Auftreten der Identität verantwortlich; als Identität ist sie außerhalb dieser Erfahrung nicht vorhanden.

Quelle: Geist, Identität und Gesellschaft

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