Von Ralf Keuper

Im Jahr 2000 veröffentlichte Peter Haber in der NZZ den nach wie vor lesenswerten Text Der wiedererwachte Traum von der “Bibliotheca Universalis” – Das totale Wissen im digitalen Zeitalter. Aufhänger waren die zu dem Zeitpunkt zahlreichen Initiativen, das Wissen der Welt zu digitalisieren. Haber erblickte darin die Wiederbelebung der Idee der Bibliotheca Universalis von Konrad Gesner. Obgleich die technischen Möglichkeiten seither gewachsen sind, seien die Erfolgsaussichten heute ebenso gering wie damals.

Hier einige Auszüge:

Mit dem Buchdruck bahnte sich schliesslich eine neue Stabilität des Wissens an  – die “typographische Persistenz”, wie Elizabeth Eisenstein es genannt hat. Die moderne Technik der Reproduktion ersetzte dabei im “Typographenum” (Michael Giesecke) die handschriftlichen Unikate durch ubiquitär verfügbare Wissensspeicher mit identischem Inhalt. Konrad Gesners Versuch, das Wissen seiner Zeit in vier Bänden zu erschließen, war ein erster Versuch eine virtuelle Bibliothek zu erschaffen. …

Mit der Zuteilung der einzelnen Artikel zu bestimmten Bereichen innerhalb seiner Wissenschaftsarchitektonik führte d’Alembert in seiner eigenen “Encyclopédie” diese Idee der “Hyperlinks” weiter und schuf so das wohl erste umfassende Hypermediasystem der Welt. …

Es gibt noch Dutzende ähnlicher Projekte – doch die Frage, die Demetrios von Phaleron und Konrad Gesner ebenso beschäftigte wie d’Alembert, die Frage nämlich, wie sich das Wissen der Welt strukturieren und vor dem Vergessen bewahren lässt, können weder die “Bibliotheca Univeralis” der G-7 noch die unzähligen anderen Digitalisierungsprojekte beantworten. Das scheinbar Allumfassende des Internet und die unbeschränkten Speichermöglichkeiten digitaler Medien erinnern an den Traum von Alexandria, die Schaffung der totalen Bibliothek.

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