Das Schreiben, so behaupte ich, ist selbst ein Experimentalsystem. Es ist eine Versuchsanordnung. Es ist nicht nur ein Aufzeichnen von Daten, Tatbeständen oder Ideen. Es ist auch nicht einfach der billige Ersatz für die lebendige Rede. Es ist nicht einfach das transparente Medium der Gedanken. Es gibt ihnen eine materielle Verfassung und zwar eine, die das Entstehen von Neuem ermöglicht. Auch die Schrift begründet Bahnen, auf denen Spuren hinterlassen werden, auf die man zurückkommen und über die man, indem man das tut, hinausgehen kann. Es vollzieht sich also durch das Niederschreiben, wie man mit Edmund Husserl sagen kann, nicht nur eine Verwandlung der Existenzweise von Sinngebilden, sondern es entstehen auch neue, die sich, wie alle neuen Erwerbe, “wieder sedimentieren und wieder zu Arbeitsmaterialien werden”. Schreiben ist mithin in einem elementaren Sinne auch die Voraussetzung für alle Wissenschaft.

Quelle: Über die Kunst, das Unbekannte zu erforschen, in: Say it isn’t so

Von McLuhan

Ein Gedanke zu „Das Schreiben ist ein Experimentalsystem (Hans-Jörg Rheinberger)“

Schreibe einen Kommentar