Von Ralf Keuper

Die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat in den letzten Jahren an Schärfe zugenommen. Immer mehr Beitragszahler fragen sich, warum sie die “Demokratieabgabe”, wie die GEZ-Gebühren vor einiger Zeit von einem prominenten ARD-Vertreter genannt wurden, noch zahlen sollen. Ist das Programm von ARD und ZDF tatsächlich so unentbehrlich, dass die Hörer und Zuschauer – so gänzlich ohne Betreuung – den Populisten auf den Leim gehen? Ist das Angebot so ausgewogen und qualitativ so hochwertig, dass wir es vermissen würden, sollte es einmal nicht mehr zur Verfügung stehen?

Aus den Reihen der Ordoliberalen kommt seit einiger Zeit die Forderung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Erfordernissen der Digitalisierung anzupassen, wie in dem Beitrag Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Zeitalter der Digitalisierung.

Dort heisst es in der Zusammenfassung:

Im Zeitalter der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien muss und wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Erscheinungsbild ändern. Obwohl der technische Fortschritt in der Medienbranche einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus ökonomischer Perspektive überflüssig macht, muss man pragmatisch fragen, wie man den politisch gewollten Eingriff des Staates in die Medienbranche so organisieren kann, dass die damit verbundenen Effizienzverluste und Wettbewerbsverzerrungen so gering wie möglich ausfallen. Dieser Beitrag unterbreitet einen Vorschlag zu einer effizienteren Organisation staatlicher Eingriffe in die Medienbranche.

Einige fordern die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Vgl. dazu: Studie: Rundfunkgebühr abschaffen, Öffentlich-Rechtliche privatisieren). Die Reform des ÖR-Rundfunks sei unmöglich.

Weniger revolutionär Gesinnte halten eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für unumgänglich, wie in Wie viel öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht die informierte Gesellschaft?.

Zu sehr würden die ÖR-Sendeanstalten der Marktlogik huldigen, für die Quote das Maß der Dinge ist, und die dazu führt, dass Sport einen überproportional großen Anteil an der Berichterstattung hat. Ebenfalls in der Kritik stehen die hohen Kosten für die Unterhaltung des Verwaltungsapparats des ÖR-Rundfunks. Die Ausgaben für das Personal lassen nur noch wenig Raum für das eigene Programm (Gefräßige Anstalten).

Für Unmut sorgt hin und wieder auch die z.T. schwer durchschaubare Verflechtung der Sender mit den diversen Produktionsfirmen (Vgl. dazu: Alle Befürchtungen bestätigt). Auch sonst ist einiges im Argen: Im vergangenen Jahr wurde der ehemalige Unterhaltungschef des MDR wegen Betrug, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt.

Filmschaffende bemängeln beim ARD und ZDF ein einseitiges Programm, bei dem Dokumentarfilme allzu häufig auf der Strecke bleiben (Vgl. dazu: Öffentlich-Rechtliche: “Ein tendenziell zu einseitiges Programm”).

Einige wiederum beklagen die Verstrickung von Politik und den öffentlich-rechtlichen Medien (Vgl. dazu: So fern und doch so nahRundfunkräte in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Politik und Parteien bleiben am Drücker).

Angesichts des Input-Output-Verhältnisses sehen viele bei den Rundfunkbeiträgen Senkungspotenzial (Vgl. dazu: Das teure Versagen von ARD und ZDF). 

Bereits im Jahr 1998 wurde Kritik an den Abwerbungen sog. Stars wie Johannes B. Kerner laut, wie in „Der Markt regiert“. Im Jahr 2014 stellte sich heraus, dass die von Kerner moderierte Show “Deutschlands Beste” manipuliert war (Vgl. dazu: ZDF-Schwindel bei Kerner war noch dreister).

Keinen guten Eindruck beim Zuschauer und Beitragszahler hinterließen ARD und ZDF zuletzt in der Causa Dieter Wedel (Vgl. dazu: Nötigungsvorwürfe gegen Dieter Wedel. Regisseur Gnadenlos). 

Andere wiederum fragen sich, ob es bei ZDF und ARD nicht genügend Talente gibt, die in der Lage sind, eine Maybritt Illner oder Sandra Maischberger mit ihren durchaus überschaubaren journalistischen Fähigkeiten zu ersetzen.

Insofern wäre man geneigt, den Kritikern zuzustimmen und für eine Abschaffung des ÖR-Rundfunks zu plädieren.

Es gibt aber auch andere Meinungen, die ebenfalls gute Argumente enthalten, wie in Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter.

Dort heisst es zum Schluss:

Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie der “Handelsblatt”-Journalist Hans-Peter Siebenhaar sagen, der Auftrag zur medialen Grundversorgung sei im digitalen Zeitalter “schlichtweg überflüssig” geworden[36]. Angesichts der Informationsfülle im Netz litten die gebührenfinanzierten Sender unter einem Bedeutungsverlust. Es mag Anhaltspunkte für diese These geben, etwa das hohe Durchschnittsalter der Zuschauer von ARD und ZDF, das bei rund 60 Jahren liegt. Doch auch wenn die öffentlich-rechtlichen Sender mitunter schwerfällig wirken – sie haben es bisher durchaus verstanden, die neuen Möglichkeiten digitaler Medienkanäle sinnvoll zu nutzen. Die Kritik von Privatsendern und Verlagen wäre nicht so deutlich, wenn ARD und ZDF nicht auch vieles richtig gemacht hätten.

Aufschlussreich auch die zehn Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien.

Daraus:

These 4

Der Erfolg des öffentlich-rechtlichen Angebots ist dann gegeben, wenn es seine Funktion im Hinblick auf den öffentlichen Diskurs tatsächlich erfüllt und bei dem Publikum eine breitere Faktenbasis und breiteres Bewusstsein für die Vielfalt an Sichtweisen, Einstellungen und Meinungen schaffen kann. Im Hinblick darauf ist die Quote nicht aussagekräftig genug. Denn die öffentlich-rechtlichen Angebote müssen sich eben auch und vor allem an Minderheiten richten. Daher bedarf es qualitativ ausgerichteter Testverfahren von Sendungen, öffentlicher Befragungen und Auswertungen von Publikumsäußerungen, journalistischer Medienkritik und fortwährender wissenschaftlichen Begleitung.

These 5

Im Interesse der Allgemeinheit muss es starke Plattformen geben, die dem Publikum eine leicht erkennbare Anlaufstelle für öffentlich-rechtliche Angebote bieten, und welche die oben genannten Kriterien und Standards erfüllen. Auf eigenen Plattformen haben die öffentlich-rechtlichen Anbieter auch die besten Chancen, diesen gerecht zu werden. Denkbar wäre auch eine gemeinsame, offene und nicht kommerzielle Plattform aller öffentlich-rechtlichen Anbieter als „Public Open Space“. Auf dieser Plattform sollten nicht nur öffentlich-rechtlich produzierte Inhalte verfügbar sein, sondern beispielsweise auch solche von Museen, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Wikipedia etc. Neben einem möglichst umfangreichen Angebot muss diese nutzerfreundlich, über diverse Endgeräte zugänglich und vor allem auffindbar sein. Durch Bewertungs- und Kommentarfunktionen sollte dem Publikum eine Mitwirkung ermöglicht werden.

Darüber kann man reden.

Trotz aller berechtigten Kritik sollte der ÖR-Rundfunk m.E. erhalten werden – jedoch nicht in seiner bestehenden Form. Wir haben ein Überangebot. Nachdenkenswert ist der Vorschlag von Hans-Peter Siebenhaar:

Der Kunde kann zwischen verschiedenen Paketen wählen, beispielsweise ein Basispaket mit ARD, ZDF, regionalen Dritten und den jeweiligen regionalen Radiosender samt Internetangeboten. Gegen Aufpreis kann der Nutzer dann beispielsweise Phoenix, 3Sat, Arte oder Kika hinzubuchen. Wer alle 22 Sender und 67 Radios des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzen möchte, zahlt den vollen Preis von derzeit 17,98 Euro.

Für weitere Gebührenerhöhungen fehlt die Legitimation – sowohl was die Qualität und Quantität des Programms sowie die Größe des Verwaltungsapparats betrifft. Sie sollten sinken. Überdies erwartet die KEF für die nächsten Jahre einen Einnahmenüberschuss bei ARD und ZDF (Vgl. dazu: KEF erwartet Überschüsse bei ARD, ZDF und Deutschlandradio). Vielleicht lassen sich hierfür einige Anregungen aus dem Arbeitspapier Controlling für öffentlich-rechtliche Fernsehunternehmen aus dem Jahr 1993 entnehmen, das von dem Institut für Rundfunkökonomie an der Universität Köln herausgegeben wurde.

Das Institut wurde übrigens im vergangenen Jahr geschlossen.

 

Von McLuhan

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