Aus einem Interview mit LFI (Leica Fotografie International) vom November/Dezember 2014:

LFI: Worin liegen für Sie die Vorzüge des analogen Photographierens im Gegensatz zum digitalen?

Wenders: Im digitalen Photographieren kann man seinen Blick und das Bild ständig überprüfen. Beim analogen Photographieren ahnt man sein Bild und weiss instinktiv, ob man es hat oder nicht. Diese innere Arbeit ist digital so nicht mehr möglich. Das Photographieren wird zu einer anderen Sache: wenn ich beim Akt des Photographierens schon sehe, was aufgenommen wird, verliere ich den Dialog mit dem erhofften Bild. Ich sehe schon ein Produkt, wo es noch gar keines geben dürfte. An diesem Stückchen Hoffnung und Ahnung, die man in den Film investiert, den man einlegt, daran liegt mir alles. Beim Filmen ist das etwas anderes. Da genieße ich die Kontrolle, die die mir die digitale Welt erlaubt. Das öffnet mir ganz andere Möglichkeiten, die ich als Photograph gar nicht will. Im Gegenteil: Die analoge Photographie kann auf diese Weise für mich etwas ganz Eigenständiges bleiben.

LFI: Welche neuen visuellen Strömungen in der Photographie finden Sie spannend?

Wenders: Je mehr “zeitgenössische Photographie” ich sehe, um so mehr gefällt mir an der Photographie, etwas zu zeigen “wie es ist”. Im digitalen Zeitalter hat sich die Photographie zu einer anderen Form von Malerei entwickelt, in der das photographierte Sujet eher “Material” wird, aus dem dann ein Bild geschaffen wird. Das ist von ihren Möglichkeiten fast unwiderstehlich so. Man kann ja heutzutage auf jedes Atom eines Bildes zugreifen und es verändern! Und dabei entsteht eben etwas Neues, das Hauptziel zeitgenössischer Photographie. Aber das mache ich im Kino ohnehin schon die ganze Zeit. An der Photographie interessiert mich ihre Reinheit, dieser fast sakrale Akt, mit dem sie sich einer Wirklichkeit verpflichtet.

Von McLuhan