Von Ralf Keuper

Es fällt mir schwer, Amazon einer bestimmten Branche zuzuordnen. Handelt es sich um einen Logistikkonzern, der sich zu Beginn nur auf Bücher spezialisiert hat und dabei weitere Absatzmärkte für sich entdeckte, oder um einen Medienkonzern, der sich nicht mehr auf die Distribution von Medien beschränkt, sondern selbst in die Produktion einsteigt? Oder ist Amazon schlicht und ergreifend “nur” ein typisches E-Commerce-Unternehmen, dem es letztlich egal ist, was es verkauft – Hauptsache es lässt sich genug damit verdienen?

Amazon, ebenso wie Apple und Google, ist von allem etwas und in der Summe noch ein bisschen mehr. Eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie fällt schwer.

Wie fließend die Grenzen in der Medienbranche sind, zeigt u.a. die Überraschung, für die Eric Schmidt sorgte, als er Amazon als den härtesten Widersacher von Google bezeichnete.

Lange vor Amazon gelang die Verbindung zwischen Logistik und Medien Bertelsmann. Mit der VVA (Vereinigte Verlagsauslieferung, heute Teil von arvato) und dem riesigen Hochregallager direkt an der A2 beschritt der Medienkonzern neue Wege. Eigentlich beste Ausgangsbedingungen für eine Übertragung dieser Kombination in das Internet. Stattdessen eroberte mit Amazon ein Newcomer den Markt. Parallel dazu verlagerte Apple weite Teile des Musikgeschäfts auf iTunes.

Seitdem sieht die Medienlandschaft anders aus. Die Machtgewichte haben sich verschoben. Die Gatekeeper bei den Nachrichten wie überhaupt den Medien, sind heute Google, Baidu, Amazon, facebook, Apple, twitter, Tencent & Co. Hier laufen die verschiedenen Informationsströme zusammen. Die Informationslogistik bekommt strategischen Wert. Bezeichnenderweise hat sich Tim Cook seine Meriten in der Logistik verdient.

Apple, Google und Amazon (ebenso wie Alibaba, Tencent, Softbank und Baidu) durchlaufen derzeit einen ähnlichen Wandlungsprozess. Während die einen ihre Bemühungen im Bereich Medien verstärken wie Tencent, Alibaba und Amazon, gehen die anderen dazu über, ihre Aktivitäten im Feld der Logistik auszubauen, wie Google oder versuchen im E-Commerce stärker Fuss zu fassen, wie Baidu. Gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer digitalen Plattform, eines Ökosystems, ohne jedoch den Bezug zur “Realwirtschaft” zu verlieren. Dafür sorgt schon allein die Logistik. Daneben ist die Herstellung physischer Güter, wie vor allem bei Apple, aber auch bei Google (Google Glass, Autonome Fahrzeuge) ein wichtiges Standbein. Amazon ist erst kürzlich in den stationären Handel eingestiegen und für Apple haben die Stores mehr als nur eine dekorative Funktion. Dagegen kündigte Bertelsmann an, seine Buchclub-Filialen zu schließen.

Insofern haben wir es in der Medienbranche mit – zumindest auf den ersten Blick – gegenläufigen Tendenzen zu tun. Ein Eindruck, der in dem Beitrag Diversified media companies are hurrying to undiversify bestätigt wird.

Nicht unerwähnt bleiben sollen die Anbieter von Finanzinformationen wie Bloomberg und Thomson Reuters sowie die Wissenschaftsverlage wie Elsevier. Während Bloomberg und Thomson Reuters eigentlich schon immer digital unterwegs waren, treiben die Wissenschaftsverlage inzwischen ebenfalls die Digitalisierung ihrer Angebote voran. Die Frage ist, inwieweit sie in den Sog der Plattformen à la Apple, Amazon und Google geraten oder bereits geraten sind und wie sich ihm entziehen können.

Kommt es zu einer Medienkonvergenz und damit in gewisser Weise auch zu einer Markt-und Machtkonzentration im großen Stil – oder hat Eric Schmidt Recht, wenn er sagt, dass Startups, wie seinerzeit Google, den Markt erneut umkrempeln bzw. “disrupten” könnten? Welche Rolle übernehmen die Computerspiele? Der derzeit größte Spieleentwickler der Welt ist Tencent. Microsoft hat erst kürzlich Minecraft gekauft. Das soll aber nur ein weiterer Schritt für Microsoft bei dem Aufbau einer Plattform für Spiele und Entwickler sein.
Wie sind die Bestrebungen von Apple und Google im Gesundheitsbereich (E-Health) zu werten? Muss man das getrennt von den anderen Geschäftsfeldern betrachten, oder gehört das zusammen? Falls ja – was folgt daraus?

Welche Chance haben alternative Anbieter, wie sobooks oder Indie-Labels?

Die Karten werden jedenfalls neu gemischt. Es bleibt spannend.

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